Was wir aus den Waldbränden in den USA lernen können

Kalifornische Verhältnisse bald auch bei uns?

Bremen – Waldbrände in Kalifornien sind nichts Besonderes. Doch normalerweise interessiert das außerhalb der USA niemanden. Ganz anders in diesem Jahr (2018). Wir sprachen mit den beiden Waldbrandexperten Detlef Maushake (Feuerwehrmann) vom Verein Waldbrandteam und Alexander Held (Dipl.-Forstwirt) vom European Forest Institute EFI über das Ausmaß und die Ursache der diesjährigen Katastrophe und die Lehren für Deutschland. 

Die heftigen Waldbrände in Kalifornien in diesem Sommer erregten weltweit große Aufmerksamkeit. Das Camp Fire beispielsweise hatten einen Umfang von 125 Kilometer (Länge der Außenkanten). Und die Feuerfronten bewegten sich mit enormen Geschwindigkeiten. Foto: Michael Fila Jr.

FM: Stimmt der Eindruck, dass die Vegetationsbrände in Kalifornien noch nie so heftig waren wie in diesem Jahr?
Maushake: Der Eindruck täuscht tatsächlich ein wenig. Es gab in der Vergangenheit schon deutlich größere Feuer.

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FM: Wie ist dann zu erklären, dass nie zuvor so intensiv darüber in Deutschland berichtet wurde?
Maushake: 2018 war vor allem der Bereich wildland-urban-interface betroffen. Damit wird die Begegnungszone zwischen Wald und Wohnbebauung bezeichnet. Infolgedessen gab es sehr viele Todesopfer und viele abgebrannte Wohngebäude. Hinzu kommt, dass es auch in Deutschland in diesem Jahr relativ viele Wald- und Flächenbrände gegeben hat. Die Öffentlichkeit war also für das Thema sensibilisiert.

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FM: Was sind die Ursachen für das diesjährige Ausmaß?
Held: In 2018 kamen eine Reihe von Faktoren zusammen. In der betroffenen Region um die Kleinstadt Paradise herrscht seit Jahren extreme Trockenheit und es kam zu einem Absenken des Grundwasserspiegels. Das führte zu einem großflächigen Absterben des Buschlandes. Der Feuchtigkeitsgehalt des toten Brennstoffs betrug unter 4 Prozent. Ein wirklich sehr kritischer Wert. Erschwerend kam hinzu, dass es an der gleichen Stelle vor 10 Jahren schon einmal einen Großbrand gegeben hatte. Die nachgewachsenen Büsche und Bäume hatten also eine kritische Größe – noch kein Hochwald. Je älter der Baumbestand, desto weniger anfällig ist er bei Flächenbränden.

Diplom-Forstwirt und Waldbrandexperte Alexander Held vom EFI in Bonn. Foto: privat

FM: Welche Rolle spielte die Witterung an dem Tag des Brandausbruchs?
Held: Eine ganz entscheidende für die rasante Brandausweitung. Es herrschte stark böiger Wind mit Geschwindigkeiten um die 50 km/h aus Richtung Nordosten. Dank des vorhandenen Brennstoffs entwickelte sich ein sehr dichter, intensiver Funkenflug. Die Funken wurden mehrere Kilometer vor dem Brand hergetrieben. Zwischen 8 Uhr und 9 Uhr drehte der Wind ganz plötzlich. Allein dadurch sind 13 neue Entstehungsbrände nordwestlich von Paradise entstanden -zum Teil bis zu 4,5 Kilometer von der Feuerfront entfernt.

Warum die Feuerwehrleute keine Chance hatten

FM: Welche Chance hatten die Feuerwehrleute, den Camp Fire genannten Brand, noch in den Griff zu bekommen?
Maushake: Absolut keine. Es gibt dort wirklich viele Kräfte, die gut ausgebildet und ausgestattet sind. In den ersten vier Stunden hat das Camp Fire 12.200 Hektar verbrannt. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit betrug im Durchschnitt 3 Kilometer pro Stunde. Das ist doppelt so schnell wie bei den verheerenden Bränden 1975 in der Lüneburger Heide. Camp Fire hatten einen Umfang von bis zu 125 Kilometern. Bei so einer Extremlage bist du machtlos. Dafür hast du nie genug Leute.

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FM: US-Präsident Donald Trump behauptet, das Ausmaß der Katastrophe hänge auch mit dem Zustand der Wälder zusammen.
Maushake: So ganz unrecht hat er nicht. Aber dafür die Forstverwaltung als alleinverantwortliche Institution an den Pranger zu stellen, trifft es nicht.
Held: Die Forstbehörde hätte gerne mehr gemacht, um die Brandlast in der Region zu reduzieren. Das geht aber vornehmlich durch das so genannte Kontrollierte Brennen. Dabei werden bodennahe Bereiche freigebrannt. Aber dieses Vorgehen erlauben die Umweltschutzgesetze in dem US-Bundesstaat nur in geringem Ausmaß. Die beim Kontrollierten Brennen entstehende Rauchentwicklung wird nicht gewünscht.

FM: Drohen uns in Deutschland in absehbarer Zeit auch solche Brände?
Maushake: Ausschließen lässt sich das nicht. Grundsätzlich kann man sagen, dass es auch bei uns wärmer wird. Wir hatten 2018 ganz ähnliche Klimabedingungen wie 1975 mit hohen Temperaturen und wenig Niederschlag. Die ganz große Katastrophe ist zum Glück aber ausgeblieben. Aber der Boden ist durchgetrocknet. Die Talsperren sind leer, viele Wasserläufe noch immer nahezu ausgetrocknet. Wir müssen selbst jetzt im Dezember mit Wald- und Flächenbränden rechnen. Das gab es früher nicht.

Detlef Maushake von der Berufsfeuerwehr Salzgitter gilt als einer der führenden Waldbrandexperten in Deutschland. Das Bild zeigt ihn beim Kontrollierten Brennen in der Lünebuger Heide. Foto: Hegemann

FM: Was sollte getan werden, um das Ausmaß solcher Brände in Deutschland zu reduzieren?
Held: Die Begegnungsgrenzen zwischen Bebauung und Wald sind das Risikogebiet. Hier müssen Schutzzonen geschaffen werden. Der Brand in Siegburg hat gezeigt, was ohne solche Zonen passieren kann. Das direkte Umfeld der Gebäude sollte frei von brennbaren Pflanzen bleiben. Die Forstverwaltung legt außerdem Laubholzriegel, Brandschutzstreifen und Pufferzonen an. Mittel- und langfristig müssen wir den Wald “umbauen”, also wieder näher an die natürliche Baumartenzusammensetzung. Stichwort “Dauerwald”.
Maushake: Wir benötigen eigentlich auch konkrete Handlungsanweisungen für jeden verantwortungsvollen Hausbesitzer, wie er seine Gebäude schützen kann.

Alle Feuerwehrleute benötigen Flammschutzhauben

FM: Gibt es ein paar konkrete Tipps?
Maushake: Es sollte beispielsweise direkt am Gebäude nur Kaminholz für einen oder zwei Tage gelagert werden. Es darf keine Feuerbrücken zwischen den Gebäuden und dem Waldrand geben, über die sich ein Brand ausbreiten kann. Kritisch sind auch Koniferen direkt am Haus zu sehen. Diese teils ölhaltigen Gewächse brennen extrem gut.

Solche Laubgebläse lassen sich sehr gut für die Bekämpfung von Vegetationsbränden einsetzen. Foto: Hegemann

FM: Inwiefern müssen die Feuerwehren anders ausgestattet werden?
Maushake: Wir brauchen ganz dringend eine passende Persönliche Schutzausrüstung für die Waldbrandbekämpfung. Zusätzlich! Die Schutzkleidung muss deutlich leichter sein als die normale PSA. Jeder Einsatzkraft sollte eine Flammschutzhaube gestellt werden, nicht nur den Atemschutzgeräteträgern. Wir benötigen mehr D-Schlauchmaterial und zusätzliche Handwerkzeuge wie Löschrucksäcke oder auch Laubblasgeräte.

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FM: Inwiefern muss auch die Ausbildung geändert werden?
Maushake: Wir müssen die grundlegenden Basics zur Wald- und Flächenbrandbekämpfung in die Feuerwehrausbildung aufnehmen. Meiner Meinung nach sollte dies in der Überarbeitung der Feuerwehr-Dienstvorschrift 2 mit aufgenommen werden. Eine Stunde für theoretischen Grundlagen in der Truppmann- und Truppführer-Ausbildung würden als erster Schritt schon ausreichen. Worauf ist beim Vorgehen zu achten? Welche Risiken gibt es? Welche Geräte sollten eingesetzt werden? Wie kann mit wenig Wasser effektiv gelöscht werden? Das sind nur einige Fragen, die unbedingt in der Ausbildung beantwortet werden müssen, damit die Kräfte die Einsätze unbeschadet überstehen.  

In der Januar-Ausgabe 2019 des Feuerwehr-Magazin stellen wir das Verfahren “Kontrolliertes Brennen” mit seinen Vor- und Nachteilen ausführlich vor. Wir zeigen, wie damit in der Lüneburger Heide größere Flächen von Brandlast befreit werden. Das Heft erscheint am 21. Dezember.   

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