Übernahme eines Strafbefehls für Kameraden

Spendenkampagne zeigt Solidarität mit Einsatzkraft

Pforzheim (BW) – In Pforzheimer-Eutingen (Regierungsbezirk Karlsruhe) kommt es im April 2021 zu einem folgenschweren Unfall: Auf Einsatzfahrt steuert der Maschinist eines Tanklöschfahrzeugs (TLF) 24/50 der FF Eutingen dieses unter Sondersignal auf der Bundestraße 10 stadteinwärts in die Kanzlerstraße. Es kommt zu einer Kollision mit einem Pkw, eine Frau verstirbt dabei. Der Feuerwehrmann wird wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verurteilt. Nun sammelt, wenige Tage nach der Bestätigung des Urteils durch das Amtsgericht Pforzheim, eine Online-Spendenkampagne Geld für den Maschinisten.

Ins Leben gerufen hat die Kampagne auf der Spenden-Plattform gofundme Andreas Renner, Ortsvorsteher von Eutingen. Allerdings als Privatperson, wie er gegenüber dem Feuerwehr-Magazin betont. „Ich stelle die geltende Rechtsprechung nicht infrage. Aber ich möchte dem Kameraden ausdrücklich meine Wertschätzung ausdrücken. Alle ehrenamtlichen Einsatzkräfte nehmen täglich Gefahren auf sich, um uns beizustehen. Nun sollten wir den Helfenden beistehen.“

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Bislang sind bei der gestern gestarteten Kampagne bereits rund 10.000 Euro aus mehr als 400 Spenden eingegangen. Renner will die Kampagne voraussichtlich noch am Ende des heutigen Tages beenden. Anschließend wolle er dem Kameraden die 4.800 Euro übergeben sowie das Geld darüber hinaus an die Aktion „Menschen in Not“ von der Pforzheimer Zeitung spenden. „Ich habe den Kameraden gestern noch getroffen. Er wusste nichts von meiner Idee, war sichtlich gerührt“, erklärt Renner.

April 2021: An einer Kreuzung in Pforzheim-Eutingen prallt ein schwarzer Kleinwagen (hinten) gegen ein Tanklöschfahrzeug der FF Pforzheim. Die Beifahrerin verstirbt im Krankenhaus, der Fahrer wird schwer verletzt. Im Dezember 2022 wird das Urteil gegen den Maschinisten bestätigt, ihn trifft eine Teilschuld. © Einsatz-Report24

Zu Hintergrund und Urteil

Am 1. April 2021 ist gegen 13.30 Uhr das TLF der FF Eutingen unter Sondersignal unterwegs zu einem Vegetationsbrand in der Nähe einer städtischen Kindertagesstätte. Der Maschinist überfährt auf der Bundesstraße 10 eine rote Ampel, der ihm entgegenkommende Pkw kann nicht mehr rechtzeitig bremsen und kollidiert mit der Hinterachse des Einsatzfahrzeugs. Die Beifahrerin wird tödlich verletzt und verstirbt kurze Zeit später im Krankenhaus, der Fahrer überlebt schwer verletzt.

Dem 56-jährigen Kameraden wird daraufhin ein Strafbefehl über 4.800 Euro überstellt, eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung ausgesprochen. Sein Rechtsanwalt legt Einspruch ein.

Strafmaß und Schuld bestätigt das Amtsgericht Pforzheim allerdings am 15. Dezember 2022. Entscheidend für die Bestätigung des Urteils durch die Richterin war die Einschätzung eines beauftragten Gutachters. Dieser sah es als erwiesen, dass der Maschinisten von seiner erhöhten Sitzposition aus den heranfahrenden Pkw hätte sehen und seinen Abbiegevorgang abbrechen können. Eine Teilschuld sei auch dem Fahrer des Unfallwagens zuzusprechen. Der 78-Jährige hätte mit einer Vollbremsung den Zusammenstoß verhindern können, hätte er nur Signal und Martinhorn – so wie alle anderen Verkehrsteilnehmer zum Unfallzeitpunkt – wahrgenommen.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Mich irritieren die Aussagen einiger Kommentatoren hier.

    Der wichtigste § der STVO ist der § 1 und dieser steht über allen anderen Paragraphen, auch über dem § 35 und § 38.

    § 1
    Grundregeln
    (1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
    (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

    Dieser §1 gilt auch für die Feuerwehr während der Alarmfahrt. Kann ich nicht sicher abbiegen oder erkenne nicht, ob mich der Gegenverkehr wahrgenommen hat, warte ich, bis ein Abbiegen ohne Gefahr möglich ist. Ich schrieb es am 21. Dezember schon einmal. Das TLF ist durch den Unfall nicht am Einsatzort angekommen.

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  2. Also was soll man da noch sagen… Die Ausbildung in der Fahrschule sagt wie auch die Strassenverkehsordnung das andere Verkehrsteilnehmer den BOS Fahrzeugen mit beiden eingeschalteten Sondersignalen Platz zu machen haben ( ähnlich Rettungsgasse), warum wird dann immer gegen die Arlamfahrer entschieden. Immer vorrausgesetzt angemessener Fahrweise natürlich.. das ist doch eine klare Aussage in der StVO .
    Hier ist meiner Meinung der Gesetzgeber gefragt Klarheit zu schaffen ..nicht mal hüh u.m. Hot… ich habe 45 Jahre Erfahrung als Einsatzkraft aber wie immer wenn wiiiir Unterstützung brauchen ist keiner da,mann lässt uns im Regen stehen. Da fragt man sich warum andere lieber Fussball spielen…

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  3. Mag sein.
    Ich kann nachvollziehen warum man innerhalb der freiwilligen Feuerwehr immer weniger Verantwortung übernehmen will oder man gleich fernbleibt.
    ‘Lohnt sich nicht mehr’.

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  4. Auch ich habe hier Schwierigkeiten mit unserer Rechtsordnung. Lernen wir doch alle in der Fahrschule, dass Polizei, Feuerwehr usw. die Blaulicht und Sirene eingesetzt haben, unverzüglich Platz zu machen ist. Hier hat m.e. der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugen keine Schuld. Wir schulden den Leuten der Feuerwehr und anderen Hilfsdiensten, davon viele im Ehrenamt mehr Respekt und Unterstützung. Wir müssen uns nicht wundern, wenn dort Nachwuchssorgen bestehen. Das sollte auch der Justiz bewusst sein. Es hätte auch das Haus des Richters brennen können.

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  5. Es stimmt, trotz Wegerecht darf die Vorfahrt nicht erzwungen werden. Aber kein Fahrer von Einsatzfahrzeugen kann behaupten es könnte ihm nicht passieren eine Situation falsch einzuschätzen.-Wir sind alle Menschen und machen Fehler, sonst würden solche Unfälle ja nicht passieren.

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  6. Jeder Kamerad einer FF, der Jurist ist oder eine juristische Ausbildung durchlaufen hat, kann Begründung & Strafmaß nachvollziehen.

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  7. “ich kann weder die Begründung noch das Strafmaß nachvollziehen!”

    Ein Mensch ist dabei im Riss geblieben. Was für eine Bergündung braucht es denn da noch? Ansonsten kann ich mich meinem Vorredner anschließen. Lieber 10 Sekunden später als garnicht ankommen.
    Und für die FW indirekt einen “juristischen Persilschein” einzufordern weil eine rechtskräftige Verurteilung die Mitglieder verunsichert geht in die falsche Richtung.
    Die Konsequenz müsste sein den Fokus mehr auf die Aus- und Weiterbildung des fahrenden Personal zu legen. Ich bin jetzt seit über 20 Jahren in FW und RD dabei. Wenn ich eines gelernt habe das die Verkehrsteilnehmer ganz oft unlogische Dinge tun die nicht nachvollziehbar sind. Aber eben darauf muss man gefasst bzw eingestellt sein soweit das eben möglich ist.
    Es mag Unfälle geben die passieren einfach, so tragisch das auch ist, ohne das jemand klar als Schuldiger auszumachen ist. Aber in diesem Fall bleibt ein bitterer Nachgeschmack.

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  8. @Stefan Lehmeier, der Maschinist überfährt eine rote Ampel, so steht es im Text. Dem Foto nach zu beurteilen, eine rote Linksabbieger-Ampel, da das TLF auf der rechten Hinterachse getroffen wird. Der PKW-Fahrer hatte also grün und durfte fahren. Trotz Sonder- und Wegerecht darf die Vorfahrt nicht erzwungen werden. Wie viel Zeit wäre denn verloren gegangen, hätte der Maschinist das TLF abgebremst und den PKW noch passieren lassen? 5 Sekunden oder 10? Mehr sicherlich nicht. Durch den Unfall ist das TLF gar nicht zum Einsatzort gekommen.

    Dieses Urteil kann nicht zur Verunsicherung führen. Fährt man unter Anwendung von Sondersignal über eine rote Ampel und verursacht dabei einen Unfall, liegt (mindestens) die Hauptschuld für den Unfall bei dem Fahrer des Einsatzfahrzeuges. Ich habe noch von keinem Urteil gelesen, wo ein Fahrzeugführer, der bei grün in eine Kreuzung fährt, die Hauptschuldan einem Unfall bekommt, weil er ein Fahrzeug, dass mit Sondersignal eine rote Ampel überfährt, nicht wahrgenommen hat. Im obigen Fall kommt erschwerend hinzu, dass bei dem Unfall eine Person verstorben ist.

    Bei Alarmfahrten ist gerade das Linksabbiegen schwierig, weil u. U. schwer einzuschätzen ist, ob das entgegenkommende Fahrzeug wahrgenommen hat, dass ich links abbiegen möchte. Entweder kann ich erkennen, dass ich vorher sicher abgebogen bin, oder ich halte an und beobachte ob der andere ebenfalls anhält oder sein Tempo verlangsamt und so dass ich gefahrlos abbiegen kann. Ansonsten warte ich, bis die Straße für mich frei ist. Passiert ein Unfall, weil ich es als Maschinist zu eilig hatte, hat meine Feuerwehr nichts gewonnen.

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  9. ich kann weder die Begründung noch das Strafmaß nachvollziehen!
    Urteile dieser Art führen weiter zu Verunsicherung unter den Einsatzkräften und somit auch zu einer allgemeine Reduzierung der Einsatzkräfte insgesamt!

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