Brand in Flüchtlingsunterkunft

25 Bewohner vor dem Feuer gerettet

Norden (NI) – Rund 25 Bewohner einer Flüchtlingseinrichtung in Norden (Kreis Aurich) sind in der Nacht zu Donnerstag nur knapp einer Katastrophe entgangen. Ein ausgedehntes Feuer hatte zahlreiche Bewohner in Gefahr gebracht. Insgesamt neun Personen mussten durch Feuerwehr und Mitarbeiter der Unterkunft teilweise aus Lebensgefahr gerettet werden.

Von Thomas Weege, Feuerwehr-Magazin-Autor und stellvertretender Stadtbrandmeister FF Norden

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Zwei Fenster im Brandraum sind geplatzt, das Feuer zündet durch. So sah es kurz nach Eintreffen der ersten Kräfte an der Einsatzstelle aus. Foto: FF Norden

Gegen 23 Uhr setzte ein Wachmann des Integrationszentrums Utlandshörn im Norder Ortsteil Westermarsch II einen ersten Notruf ab und meldete einen Brand im Wohnbereich der Einrichtung. Weitere Notrufe der dort untergebrachten Migranten folgten. Die Leitstelle Ostfriesland löste daraufhin Großalarm für die Freiwillige Feuerwehr Norden, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), den Rettungsdienst und die Polizei aus.

Bei Ankunft der Feuerwehr drang aus dem ersten Obergeschoss dichter schwarzer Rauch und Menschen schrien um Hilfe. Unzählige Rauchmelder schrillten im Inneren des Gebäudes. Noch bevor eine erste Erkundung gestartet werden konnte, platzten die Scheiben zweier Fenster und Flammen schlugen heraus. Aufgrund der nach wie vor unklaren Lage wurde nochmals Vollalarm für die Norder Wehr ausgelöst und eine zweite Drehleiter angefordert. Diese machte sich von der Emder Feuerwehr auf den Weg.

Aufgeregt rufen Bewohner um Hilfe. Sie haben sich auf ein Flachdach vor dem Rauch gerettet. Die Feuerwehr nimmt eine Steckleiter vor. Foto: FF Norden

Während sich das Feuer im vorderen Bereich weiter ausbreitete, standen auf der Gebäuderückseite sieben junge Männer auf einem Flachdach. Sie hatten sich durch ein Fenster dorthin gerettet. Mit dem Taschenlampenlicht eines Smartphones machte ein weiterer Bewohner in der Dunkelheit auf sich aufmerksam. Er saß in zirka 9 Meter Höhe auf einer Dachrinne und drohte abzustürzen. Den Männern war der Fluchtweg durch Hitze und Rauch versperrt worden.

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Noch bevor die Einsatzkräfte Rettungsgeräte in Stellung bringen konnten, fuhren Mitarbeiter der Einrichtung einen Bulli neben das Flachdach, worauf drei Männer über einen Laternenmast auf das Fahrzeugdach kletterten und sich so in Sicherheit brachten. Die Feuerwehrleute mussten hier energisch eingreifen und beruhigend auf die in Panik geratenen Männer einwirken. Wegen Sprachbarrieren gestaltete sich die Kommunikation sehr schwierig und gelang fast ausschließlich in englischer Sprache oder mithilfe von Übersetzern aus den Reihen der übrigen Bewohner. Der Feuerwehr gelang die Rettung der übrigen fünf Männer über tragbare Leitern. Von den Geretteten mussten fünf Personen mit leichten Rauchvergiftungen, Schnittverletzungen und einem verstauchten Knöchel im Norder Krankenhaus behandelt werden.

Unter anderem über eine Leih-Drehleiter bekämpfen Atemschutzträger das Feuer von außen. Foto: FF Norden

Ein Migrant meldete einen weiteren Bewohner als vermisst. Durch Befragung konnte sein Aufenthaltsort im Erdgeschoss beziehungsweise Hochparterre festgestellt werden. Nachdem Feuerwehrleute eine verschlossene Zimmertür in dem Bereich eintraten, fanden sie den Vermissten schlafend in seinem Bett. Er hatte von der gefährlichen Situation noch gar nichts bemerkt. Sein Zimmer war bereits ebenfalls leicht verraucht. Zügig konnte auch er ins Freie geführt und so gerettet werden.

Das Deutsche Rote Kreuz rückte mit einem Großaufgebot an. Foto: FF Norden

Parallel zu den Rettungsaktionen wurde ein personalstarker Innenangriff eingeleitet. Da in der Anfangsphase von über 40 dort registrierten Bewohnern ausgegangen werden musste, konzentrierten sich die Atemschutzgeräteträger (AGT) auf die Suche nach weiteren Bewohnern in dem weitläufigen Gebäude. Auch sie hatten schwer mit Hitze und Rauch zu kämpfen. Die rundweg 30 eingesetzten AGT der Norder Wehr bekamen Unterstützung durch sechs AGT der Feuerwehr Krummhörn-Nord.

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Die Brandbekämpfung wurde zeitgleich von außen aus dem Korb der Norder Leih-Drehleiter und vom Boden aus eingeleitet. Schnell konnten die Flammen so niedergeschlagen und eine weitere Ausbreitung unterbunden werden. Erst als das Gebäude mit mehreren Überdrucklüftern entraucht war, stand fest, dass sich keine weiteren Personen in dem Gebäude befanden und es somit auch keine zusätzlichen Opfer gab.

Zur Unterstützung war auch die Hauptamtliche Wache de FF Emden mit der Drehleiter angerückt. Foto: FF Norden

Die unverletzten Bewohner wurden vom DRK und Mitarbeitern der Kreisvolkshochschule Norden (KVHS), dem Betreiber der Einrichtung, in einem Nebengebäude betreut und mit Getränken versorgt. Friedhelm Endelmann, Betriebsleiter und Geschäftsführer der KVHS Norden, startete noch vor Ort die Organisation einer Notunterkunft im Weiterbildungszentrum der KVHS in der Norder Innenstadt. Das DRK lieferte dort Feldbetten und Decken an.

Nachdem das Gebäude komplett entraucht war, konnte mit letzter Sicherheit festgestellt werden, dass sich keine Bewohner mehr darin aufhielten. Foto: FF Norden

In einer Lagebesprechung an der Einsatzstelle verschafften sich alle Verantwortlichen einen gemeinsamen Überblick und stimmten weitere Maßnahmen ab. Hier bot auch Bürgermeister Heiko Schmelzle die Hilfe der Stadt Norden an. Wegen der durch den Energieversorger abgestellten Gas- und Stromversorgung sowie der erheblichen Rauchschäden wurde das Gebäude als unbewohnbar erklärt. Friedhelm Erdmann bedankte sich mehrfach bei allen Helfern und zeigte sich mehr als erleichtert, dass niemand ernsthaft zu Schaden kam. Für die letzten der insgesamt über 120 Einsatzkräfte aller beteiligten Organisationen ging der Einsatz erst gegen 4 Uhr zu Ende.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Den Kameradinnen und Kameraden, die an diesem Einsatz beteiligt waren, möchte ich hier meinen großen Respekt aussprechen. Die Einsatzvoraussetzungen waren dem Bericht entsprechend augenscheinlich alles andere als unkompliziert, insbesondere, wenn wie hier Sprachbarrieren und Panik aufeinandertreffen und die Betroffenen die Anweisungen und Beruhigungsversuche der Einsatzkräfte nicht verstehen. Umso anerkennenswerter also die Tatsache, dass bei diesem Brandereignis niemand ernsthaft verletzt wurde.
    Allen Beteiligten – den Hilfskräften wie auch den betroffenen Bewohnern – wünsche ich ein gesundes und friedliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

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