Quedlinburg (ST) – Mit 154 Delegierten und internationalen Gästen aus Frankreich, Österreich, Kroatien sowie vom Weltfeuerwehrverband CTIF stand Quedlinburg am Wochenende im Zeichen des Bevölkerungsschutzes. Der Deutsche Feuerwehrverband hatte zur 72. Delegiertenversammlung geladen – eine Tagung, die deutlich machte, wie eng Feuerwehr und Gesellschaft im Krisenfall zusammenwirken müssen.
DFV-Präsident Karl-Heinz Banse bei der 72. Delegiertenversammlung in Quedlinburg (Bild: DFV | Oestreicher)
DFV-Präsident Karl-Heinz Banse verwies auf die zunehmenden sicherheitsrelevanten Herausforderungen durch geopolitische und klimatische Entwicklungen. Er betonte die Notwendigkeit einer vorausschauenden Vorbereitung und hob hervor, dass jeder Einzelne ein Stück weit selbst Verantwortung für den eigenen Schutz übernehmen müsse. Als Beispiel nannte er die hohe Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung in Japan, wo Eigeninitiative bei Naturkatastrophen fest verankert sei. Banse sprach sich dafür aus, Selbstschutz bereits in der Schule zu vermitteln, da Sicherheit, Bildung und gesellschaftliche Resilienz eng miteinander verbunden seien.
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Sachsen-Anhalts Innenministerin Dr. Tamara Zieschang ging davon aus, dass in den kommenden Jahren mit steigenden Einsatzzahlen zu rechnen sei – auch aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse. Sie kündigte Investitionen auf Landkreisebene an und forderte eine klare Definition der Aufgaben und Personalfragen im Zivilschutz. Zieschang hob hervor, dass die Innenministerien auf die Expertise und Beratung des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Landesfeuerwehrverbände angewiesen seien.
Mit Blick auf nationale Aufgaben stellte Banse fest, dass Bundesaufgaben im Zivilschutz ohne kommunale Feuerwehren nicht zu bewältigen seien. Angesichts der angespannten finanziellen Situation regte er an, 0,1 Prozent des Aufkommens aus der Feuerschutzsteuer für die Feuerwehren bereitzustellen. Damit solle der Beitrag der Wehren zu den bundesweiten Schutzaufgaben angemessen berücksichtigt werden.
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Auch Vertreter des Bundesinnenministeriums betonten die wachsende Bedeutung des Zivilschutzes. Dr. Christoph Hübner, stellvertretender Leiter der Abteilung Krisenmanagement, erklärte, dass Verteidigung nicht nur eine militärische, sondern auch eine zivile Aufgabe sei. Er kündigte an, dass die Feuerwehren künftig von den deutlich erhöhten Haushaltsmitteln des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe profitieren würden – etwa durch Fahrzeugbeschaffungen und Warnsysteme.
Der Vizepräsident des Deutschen Landkreistags, Götz Ulrich, beschrieb die Feuerwehren als verbindendes Element zwischen Alltag und Ausnahmefall. Nach seiner Einschätzung ist ein handlungsfähiges Schutzsystem ohne die flächendeckend verfügbaren Einsatzkräfte der Feuerwehren nicht möglich. Die Nutzung der Fördermöglichkeiten des Bundes für Ausrüstung und Ausstattung sei daher unerlässlich.
Banse verwies außerdem auf die Bedeutung einer einheitlichen Ausbildung innerhalb Europas. Sie sei ein wesentlicher Baustein der europäischen Zusammenarbeit, insbesondere im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens rescEU, in dem sich die Mitgliedstaaten gegenseitig unterstützen.
Die internationale Dimension zeigte sich in zahlreichen Wortbeiträgen. Der Präsident des Weltfeuerwehrverbands CTIF, Milan Dubravac, betonte die Notwendigkeit, geopolitische Herausforderungen im Zivil- und Katastrophenschutz gemeinsam anzugehen. Der Präsident des Österreichischen Bundesfeuerwehrverbands, Robert Mayer, sah in der engen Kooperation eine Chance, von den Erfahrungen anderer Länder zu lernen. Er wies darauf hin, dass in Österreich eine vergleichbare Diskussion über den Zivilschutz erst beginne und grenzüberschreitende Zusammenarbeit künftig unverzichtbar sei. Kroatiens oberster Feuerwehrmann, Slavko Tucaković, berichtete von Waldbränden, die nur durch gemeinsame internationale Einsätze eingedämmt werden konnten. Der Vertreter des Französischen Feuerwehrverbands, Armand Jung, erinnerte daran, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit die Grundlage des Verbandes der Feuerwehren in der Europäischen Union gebildet habe. Eine gemeinsame Ausbildung sei entscheidend, um internationale Kräfte im Katastrophenfall sicher und effizient einzusetzen.
DFV-Vizepräsident Frank Hachemer richtete den Blick auf die Weltleitmesse Interschutz, die 2026 in Hannover unter dem Motto „Safeguarding tomorrow“ stattfinden wird. Die Messe soll erneut zeigen, wie stark Innovation und Vernetzung das Feuerwehrwesen prägen.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Thema Cybersicherheit. DFV-Experte Dr. Alexander Beck erläuterte die zunehmende Bedrohung durch hybride Angriffe, die von finanziellen Schäden bis zum Vertrauensverlust in die Sicherheitsarchitektur reichen können. Er stellte fest, dass die Cybersicherheit in deutschen Feuerwehren bislang nicht strukturiert organisiert sei, während sich die Bedrohungslage kontinuierlich weiterentwickele.
Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch hob in seinem Grußwort die Bedeutung der Jugendarbeit hervor. Werte, die Kindern und Jugendlichen früh vermittelt würden, stärkten die Gesellschaft langfristig. DFV-Präsident Banse zeigte sich erfreut über den anhaltenden Zulauf bei der Deutschen Jugendfeuerwehr, die entgegen dem allgemeinen Trend wachsende Mitgliederzahlen verzeichne. Er betonte, dass dieses Engagement nicht durch rechtliche Hürden behindert werden dürfe, sondern den Wechsel in die Einsatzabteilungen erleichtern solle.
Im Vorfeld der Delegiertenversammlung fand ein ökumenischer Gottesdienst in der Marktkirche St. Benedikti statt, den Pastor Dr. Frank Conrads, DFV-Bundesbeauftragter für Feuerwehrseelsorge, leitete. Beim Totengedenken hob er hervor, dass der Dienst der Feuerwehr ein Zeichen der Hoffnung und der Menschenwürde sei – auch und gerade in einer vielfältigen Gemeinschaft.
Der Landesfeuerwehrverband Sachsen-Anhalt hatte die Delegierten bereits am Vortag zu einem Länderabend im Großen Schloss Blankenburg eingeladen. LFV-Präsident Kai-Uwe Lohse rief dabei zu geschlossener Verbandsarbeit auf und warnte vor politischer Einflussnahme, wenn die Feuerwehren sich nicht selbst organisierten. Blankenburgs Bürgermeister Heiko Breithaupt bezeichnete die Feuerwehr als Rückgrat der kommunalen Daseinsvorsorge. DFV-Präsident Banse dankte den Organisatoren und trug sich in das Goldene Buch der Stadt ein.