„Drehleiter zu Wasser!“

Brandschutz an Erfurter Wahrzeichen

Erfurt (TH) – Im Jahr 1325 erfolgt die Fertigstellung der steinernen Krämerbrücke in der heutigen Erfurter Altstadt. Rund 150 Jahre später haben sich die ersten Personen in fest errichteten Wohn- und Kramhäuser auf der Brücke niedergelassen. Heute wohnen etwa 50 Personen in 32 Fachwerkhäusern auf der längsten durchgehend mit Häusern bebauten Brücke Europas. Wir haben mit Lars Angler von der Feuerwehr Erfurt über die brandschutztechnischen Besonderheiten des Bauwerks gesprochen und uns das einsatztaktische Vorgehen der BF bei einem Brandeinsatz zeigen lassen.

Moderne Feuerwehrtechnik trifft historische Bausubstanz. Die DLAK 23/12 der Feuerwehr Erfurt hat an der Nordseite der Krämerbrücke angeleitert.  (Bild: Mönkemeier)

Die Geschichte eines der populärsten Wahrzeichen der Thüringer Landeshauptstadt beginnt im Jahr 1156 mit der Ersterwähnung des Vorgängerbaus in Holzbauweise. Bereits damals haben verschiedenste Händler (Krämer) und Handwerker die Brücke genutzt, um ihre Waren zum Verkauf anzubieten. Anfangs noch in kleinen temporären Holzbuden. Nach wiederholter Beschädigung bei Stadtbränden erfolgte im Jahr 1325 ein Steinbau, auf dem nach und nach feste Wohn- und Kramhäuser errichtet wurden. Zeitweise standen 62 Fachwerkhäuser auf der Brücke, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert zu 32 Häusern zusammengefasst wurden.

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Heute wohnen etwa 50 Personen in den Gebäuden auf der Brücke, die zum Großteil der Stadt Erfurt gehören. 15 der Bewohner sowie etwa 150 weitere Personen arbeiten auf der Krämerbrücke. Hinzu kommen zahlreiche Touristen, die täglich über die eng bebaute Brücke flanieren. Auch der Wenigemarkt und der Benediktsplatz, die durch die Gera getrennt und die Brücke verbunden werden, zählen zu beliebten touristischen Zielen in unmittelbarer Nähe.

Dicht an Dicht stehen die historischen Gebäude auf der Krämerbrücke in der Erfurter Altstadt. Bei einer Länge von 125 Metern überspannt die Brücke zwei Flussarme der Gera.  (Bild: Mönkemeier)

Zu den beiden großen Veranstaltungen in Erfurt entfaltet die Krämerbrücke ihr volles Anziehungspotenzial. Sowohl zum Krämerbrückenfest (150.000 Besucher in drei Tagen) als auch zum Erfurter Weihnachtsmarkt (1,5 Millionen Besucher in vier Wochen) ist die Brücke eine der Hauptattraktionen. Durch das begrenzte Platzangebot auf der Brücke und die geringe Anzahl an Zu-/Abgängen ergeben sich Besonderheiten, die in den jeweiligen Sicherheitskonzepten berücksichtigt werden.

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Auch bei der Sicherstellung des Brandschutzes auf der Brücke ergeben sich Herausforderungen. „Aufgrund des bestehenden Denkmalschutzes gestaltet sich eine brandschutztechnische Ertüchtigung der Brücke schwierig“, erklärt Lars Angler, Sachgebietsleiter Einsatzorganisation/Gefahrenabwehrplanung bei der BF Erfurt. Dennoch soll das Bauwerk bestmöglich geschützt und allen Bewohnern die bauordnungsrechtlich geforderten Rettungswege zugesichert werden. Hierzu sind in der Vergangenheit einige Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes realisiert worden. „Die Umsetzung erfolgte möglichst unscheinbar. Sich in den Vordergrund drängende Brandschutzmaßnahmen vor einem der Hauptwahrzeichen der Stadt sind schlichtweg nicht erwünscht“, fährt Angler fort.

Ankunft des Löschzuges am Benediktsplatz in unmittelbarer Nähe der Krämerbrücke. Um die weitere Zufahrt zum Brückenkopf zu ermöglichen, senkt der Zugführer eine Polleranlage ab.  (Bild: Mönkemeier)

Aufgrund des historischen Holzbaus mit einem durchgehenden Dachboden ohne brandschutztechnische Unterteilung ist eine frühzeitige Detektion von Entstehungsbränden essenziell, erklärt der Sachgebietsleiter. Seit 2010 überwacht aus diesem Grund eine Brandmeldeanlage (BMA) die Gebäude auf der Krämerbrücke. Im Falle einer Brandmeldung rücken zwei Löschzüge der Berufsfeuerwehr aus. Der erste Löschzug (LZ) fährt den Brückenkopf am Benediktsplatz an und übernimmt die erste Erkundung der Lage. Dazu läuft der Zugführer in die Brandmeldezentrale (BMZ) und zieht die benötigte Laufkarte. Angriffstrupp und Fahrzeugführer des ersten Löschfahrzeugs gehen anschließend in den betroffenen Bereich zur weiteren Erkundung des Auslösegrundes vor.

Nach dem Aufsuchen der BMZ befiehlt der Zugführer dem Angriffstrupp die weitere Erkundung des betroffenen Bereiches.  (Bild: Mönkemeier)
Ausgerüstet mit Atemschutzgeräten, Rauchschutzvorhang, Kleinlöschgerät und Brechwerkzeug gehen Angriffstrupp und Fahrzeugführer des ersten Löschfahrzeugs zum ausgelösten Brandmelder vor.  (Bild: Mönkemeier)

Der zweite LZ nimmt in einiger Entfernung zum gegenüberliegenden Brückenkopf Aufstellung und kann nach Bedarf eingesetzt werden. „Insbesondere bei einer Personenrettung auf der Nordseite der Brücke ist der zweite Löschzug gefordert“, verrät Angler, „um dort eine Drehleiter in Stellung zu bringen, muss zunächst der Pegel der Gera abgesenkt werden.“ Hierzu verlegt ein Löschfahrzeug auf die parallel zur Krämerbrücke verlaufenden Rathausbrücke. Unterhalb der Brücke wurde im Rahmen von Erweiterungsmaßnahmen ein Schott zum Absenken des Pegels in einem der beiden Flussarme eingebaut. „Das Schott ist bewusst nicht unter der Krämerbrücke montiert worden, um das Erscheinungsbild des Denkmals nicht unnötig zu beeinträchtigen“, verrät Angler.

Mittels Handrad kann eine Einsatzkraft das unterhalb der Rathausbrücke montierte Schott herablassen. Neben Muskelkraft ist dazu keine weitere Ausrüstung erforderlich.  (Bild: Mönkemeier)
Durch das herabgelassene Schott wird der östliche Flussarm aufgestaut und der Pegel im Bereich der flussabwärts gelegenen Krämerbrücke fällt.  (Bild: Mönkemeier)

Nach etwa zwei Minuten ist das Schott mit Muskelkraft heruntergekurbelt, wodurch der Pegel im östlichen Arm der Gera auf maximal 20 Zentimeter abfällt. Das hierüber hinausgehende Wasservolumen wird aufgestaut und fließt im Zweifel über den westlichen Arm ab. Im Anschluss kann eine Drehleiter durch eine spezielle Furt fahren. „Durch den glatten Untergrund ist bei der Durchfahrt höchste Aufmerksamkeit geboten“, betont Angler. Nach wenigen Metern erreicht das Hubrettungsfahrzeug anschließend eine Aufstellfläche auf der Insel zwischen den beiden Flussarmen.

Über eine Pegelstandsanzeige prüft der Zugführer, ob der Pegel bereits ausreichend abgefallen ist, um die Furt mit der Drehleiter zu durchqueren.  (Bild: Mönkemeier)

„Die normativen Anforderungen an eine solche Fläche sind selbstverständlich erfüllt“, versichert Angler. Hierzu musste der Untergrund allerdings aufbereitet werden, damit dieser auch beim Abstützen einer Drehleiter nicht absackt. Zur Sicherstellung des zweiten baulichen Rettungsweges für die Gebäude auf der Nordseite kommt der unscheinbaren Insel damit eine entscheidende Bedeutung zu. „Ein Befahren der schmalen Brücke mit Einsatzfahrzeugen ist ausgeschlossen. Lediglich das Aufstellen einer Schiebleiter ist vorgesehen“, so Angler.

Sobald der Wasserstand unterhalb 20 Zentimeter gefallen ist, kann der DLAK-Maschinist vorsichtig durch die Gera zur Aufstellfläche fahren.  (Bild: Mönkemeier)

Die planerisch vorgesehene Durchfahrt der Furt bei Einsätzen an der Krämerbrücke berücksichtigt die Feuerwehr auch bei der Fahrzeugbeschaffung. Zur Maximierung des Rampenwinkels ist die zuletzt in Dienst gestellte Rosenbauer-Drehleiter auf Mercedes-Benz Atego 1530F mit einer verlegten Auspuffanlage ausgestattet. Von der Wasserdurchfahrttiefe der Fahrgestelle darf man sich in diesem Zusammenhang laut Angler nicht täuschen lassen. „Unserer Erfahrung nach ist die Höhe der deutlich tiefer liegenden Stützen als kritischer Faktor zu sehen. Als Bestandteil des Aufbaus sind diese in den Angaben der Fahrgestellhersteller unberücksichtigt.“

Nach wenigen Minuten haben die Einsatzkräfte das Hubrettungsfahrzeug auf der Nordseite der Brücke in Stellung gebracht und der Rettungskorb fährt in die Höhe.  (Bild: Mönkemeier)

Um in der engen Umgebung der Brücke flexibel agieren zu können, wurde die Gesamtlänge des Fahrzeugs durch einen verkürzten Rosenbauer-Leiterpark vom Typ L32A-XS 3.2 verringert. Für zusätzliche Beweglichkeit beim Anleitern im mittelalterlichen Altstadtbereich sorgen ein Knickgelenk und eine Hinterachs-Zusatzlenkung von Estepe. „Optimal wäre ein modernes Großfahrzeug mit dem Wendekreis eines mittelalterlichen Pferdewagens“, schmunzelt Angler.

Übrigens: Die neue DLAK 23/12 der Feuerwehr Erfurt ist Bestandteil der Rubrik „Aus den Wehren“ in der Oktober-Ausgabe 2025. Wie jeden Monat findet Ihr hier eine Auswahl von neuen Fahrzeugen und Gebäuden sowie einen Alten Schatz der Feuerwehren in Deutschland und darüber hinaus.

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