Die größten Eisenbahnunglücke

Eschede, Kaprun, Lathen – Schwere Unglücke mit Bahnfahrzeugen

Bremen – Schwere Zugunglücke sind nicht erst seit Eschede ein Thema in den Medien. Immer wieder kommt es zu Unfällen mit Bahnfahrzeugen. Erinnert sei nur an Kaprun, Lathen (Emsland) oder Hannover-Linden. Wir blicken für Euch zurück auf die schwersten Eisenbahnunglücke in Deutschland.

Vor 62 Jahren: Hamburger S-Bahn kracht in Bauzug

Hamburg – Am 5. Oktober 1961 vergisst ein Fahrdienstleiter kurz nach 22.30 Uhr einen Bauzug, den er selbst kurz zuvor zum Umsetzen auf ein Gleis der Hamburger S-Bahn hat fahren lassen. Er gibt einer S-Bahn freie Fahrt, die kurz darauf mit etwa 70 km/h in den Bauzug kracht. Fast 13 Meter rammen zwei große Stahlträger einer Brücke, die auf einem Plattformwagen liegen, in den Triebwagen vom Typ ET 170. Die BF Hamburg gibt Großalarm. 17 Fahrgäste sind schwer eingeklemmt und müssen in einer stundenlangen Rettungsaktion aus den Trümmern befreit werden. 28 Personen – darunter der Triebwagenführer – sterben, rund 100 werden verletzt. Autor Hans Georg Prager beschreibt diesen Einsatz sehr eindrucksvoll in seinem Buch „Florian 14: achter Alarm!“

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Ein solcher S-Bahn-Triebwagen der Baureihe ET 170 prallte am 5. Oktober 1961 in Hamburg auf einen Bauzug. (Bild: Wikipedia/Flodur44 CC BY-SA 3.0)

Krankenwagen, Streifenwagen sowie fünf Löschzüge der Feuerwehr Hamburg werden zur Unfallstelle beordert. Bevor deren Besatzungen den Menschen im Zug helfen können, müssen sie erst einmal die 12 Meter hohe Böschung an der Unfallstelle zwischen den Stationen Berliner Tor und Rothenburgsort hinaufklettern. Auch die Schneidbrenner, Brecheisen, Beile und Beleuchtungsgeräte müssen mühsam den Bahndamm hochgeschafft werden. Und wie bekommt man die Verletzten hinunter auf die Straße? Dicke Taue werden den Damm hinabgeworfen, daran werden die Tragen abgeseilt. Junge Leute und Polizisten halten sie unten fest.

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Der erste Link führt zu zwei Videobeiträgen sowie einem Audiobeitrag des NDR zu dem S-Bahn-Unglück. Die beiden anderen Links führen zu den Zeitungsseiten des Hamburger Abendblatts, das am 6. Oktober über das Unglück berichtet hat.

Bei einige Menschen sind Körperteile derart eingeklemmt, dass Ärzte sie noch vor Ort amputieren müssen. Bis morgens um 5 Uhr sind die Einsatzkräfte – darunter 175 Feuerwehrleute – im Einsatz. 1963 wird der verantwortliche Fahrdienstleiter wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung sowie fahrlässiger Transportgefährdung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Er kann auch nach zahlreichen Kuren nicht mehr im Bahnbetrieb arbeiten und wird vorzeitig pensioniert.

Die schwersten Zugunglücke der jüngeren Vergangenheit

Schwere Zugunglücke stellen Feuerwehren immer wieder vor große Probleme: viele Verletzte oder sogar Tote, hohe Energien, die auf Mensch und Material einwirken, stabile und damit schwer überwindbare Bauteile, große Mengen an Gefahrstoffen, meistens schlecht erreichbare Einsatzstellen. Wir blicken auf die größten Zugunglücke in Deutschland und Europa zurück.

Inhalt:

Seilbahnunglück Kaprun:
Die Feuerwehr hatte keine Chance

Kaprun (Österreich) – Am Samstag, den 11. November 2000 macht sich um 9.02 Uhr ein Zug der Kitzsteinhorn Standseilbahn von der Talstation auf den 8,5 Minuten langen Weg nach oben. An Bord: 162 Menschen. Zeitgleich startet an der Bergstation der Gegenzug, besetzt mit Zugführer und einem Passagier. 600 Meter nach der Einfahrt des bergwärts fahrenden Zugs in den 3.298 Meter langen Tunnelabschnitt der Strecke bleibt er stehen. Die Passagiere bemerken Feuer im unbesetzten hinteren Führerstand. Rauch füllt die Kabine, das Licht fällt aus.

Die Talstation der Kitzsteinhorn-Bahn in Kaprun. Über die Brücke geht es in den 3.298 Meter langen Bergstollen. 600 Meter vom Tunnelmund entfernt bleib der Zug stehen. Foto: Kollinger

Um 9.08 Uhr meldet der Zugführer den Brand an die Betriebsleitung. Dann bricht der Kontakt ab. Die Zugtüren können nur durch den Zugführer geöffnet werden. Einige der Passagiere schlagen mit ihren Skiern und Stöcken Fensterscheiben ein und springen aus dem Zug. Die meisten von ihnen rennen vom Feuer weg nach oben, nur zwölf Menschen machen sich nach unten auf den Weg. Durch das Feuer ausgelöst, entsteht im Tunnel ein Sog nach oben. So kommt den talwärts flüchtenden Menschen frische Luft entgegen. Rund 60 Passagiere haben es aus dem Zug geschafft. Sie werden jedoch auf dem Weg nach oben von den heißen Brandgasen und dem Rauch eingeholt, die sich mit etwa 42 Metern/Sekunde den Tunnel hinauf bewegen, und ersticken.

In nur einer Minute erreichen die heißen Verbrennungsprodukte auch die Bergstation. Diese ist in Sekunden voller Rauch. Drei Personen – unter ihnen der Maschinist im Leitstand der Gletscherbahn – sterben ebenso wie die beiden Personen im talwärts fahrenden Zug. Währenddessen ist im Tal die Rettungskette in Gang gesetzt worden. “Brand im Tunnel der Gletscherbahn Kaprun” lautet die Alarmierung für die FF Kaprun. Die Feuerwehrleute können die Information kaum glauben. Die 1974 in Betrieb genommene Bahn gilt als unbrennbar, da sie weder über einen eigenen Motor in den Zügen noch über Heizsysteme verfügen.

Erste Trupps gehen über die Treppe neben dem Gleis zur Erkundung vor. Ihnen kommen drei der zwölf talwärts Geflüchteten entgegen. Die anderen neun haben am Tunnelausgang unterhalb der Gleise Schutz gesucht. Um 10.01 Uhr wird Katastrophenalarm ausgelöst. Feuerwehren und Hubschrauber aus Österreich sowie der ADAC-Hubschrauber “Christoph 1” aus München rücken zur Unglücksstelle aus. Ihnen folgen weitere Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes sowie der Bundeswehr, darunter eine CH 53. In der Bergstation können die Feuerwehrleute nur mit einem Hubschrauber gelangen. Sie durchsuchen das Gebäude und können noch einen Mitarbeiter retten.

Atemschutztrupps mit Langzeitatemschutzgeräten gehen in dem 638 Meter langen Querstollen Richtung Unglücksstelle. Foto: Kollinger

Zum Unglückszug selbst können die Kräfte nicht vorrücken, da alleine die Anmarschwege für die zur Verfügung stehenden Atemschutzgeräte zu lang sind. Da die Stahlseile, mit denen die Wagen bewegt und gesichert werden, gerissen sind, besteht für beide eine akute Absturzgefahr. Somit können die Einsatzkräfte nicht vom talseitigen Tunneleingang vorrücken. Auch über den auf halber Strecke zur Ausweichstelle für die Züge führenden 638 Meter langen Querstollen ist der Zugang zu dieser Zeit unmöglich. Erst um 13.13 Uhr können zwei Trupps, ausgerüstet mit Langzeit-Pressluftatmern, eine erste Erkundung vornehmen. Sie finden die rund 60 Toten bergwärts vom ausgebrannten Waggon vor. Dieser selbst ist bis auf die Grundplatte abgebrannt. Somit steht fest, dass es keine weiteren Überlebenden gibt.

Rund 800 Meter oberhalb des ausgebrannten Zuges liegt die Ausweichstelle Breitriesenalpe. Der Blick geht hinunter in den Tunnel Richtung Tal. Kräfte von Kripo und Bundesheer bereiten die Bergung der 152 Toten vor. Foto: Kollinger

155 Menschen sterben an diesem Tag auf dem Kitzsteinhorn. Obwohl 575 Feuerwehrkräfte alleine am Samstag zur Hilfe eilen, sind sie gegen das Feuer chancenlos. Die nur äußerst schwierig zu erreichende Unglücksstelle, aus heutiger Sicht Versäumnisse im vorbeugenden Brandschutz bei der Konstruktion des Tunnels und der Ausrüstung der Bahnen sowie der Zeitfaktor machten eine Rettung der im Tunnel eingeschlossenen Passagiere von vornherein unmöglich. Als wahrscheinlichste Ursache für das Feuer gilt ein Heizlüfter im unteren Führerstand, der Öl aus einer nebenher verlaufenden Hydraulikleitung entzündete. Dadurch wurde die Ölleitung beschädigt, das weitere, unter einem Druck von 190 bar austretende und verspritzte Öl begünstigte dann neben anderen Faktoren die rasante Brandausbreitung.

Wir haben seinerzeit in einem Einsatzbericht in Heft 2/2001 über dieses Unglück berichtet. Autor war damals unser freier Mitarbeiter Hermann Kollinger. Den Bericht könnt Ihr auf seiner Homepage nachlesen.

„Hier brennt der Bahnhof!“

Zürich-Affoltern (Schweiz) – „Sie, der Bahnhof Affoltern brennt! Nein, vor dem Bahnhof, ziemlich heftig!“ – „An der Zehntenhausstraße brennt ein Wagen der SBB!“ – „Nein, ein Güterzug, Benzin, Kesselwagen!“ Das sind einige der ersten Notrufe, die am Morgen des 8. März 1994 die Einsatzzentrale der Berufsfeuerwehr Zürich – heute Schutz & Rettung Zürich – erreichen. Ein Mitarbeiter löst daraufhin den für Zürich Nord geltenden Standardalarm aus: Pikett Glattal Großalarm, BF Zürich Kleinalarm.

Doch in den folgenden 5 Minuten gehen insgesamt 37 Notrufe ein, was die beiden diensthabenden Disponenten veranlasst, umgehend die Alarmstufe zu erhöhen sowie weitere Behörden zu informieren. Bei Eintreffen der ersten Kräfte liegen vier Waggons eines Kesselwagenzuges in einem See aus brennendem Benzin. Vier weitere Wagen stehen aufrecht ebenfalls über brennenden Benzinlachen. Bei drei Waggons blasen über das Überdruckventil anfänglich brennende Benzindämpfe mit einem grellen Pfeifton ab. Später spritzt flüssiger Treibstoff heraus. Drei neben den Gleisen stehende Häuser stehen in Vollbrand, ebenso mehrere Fahrzeuge auf einem Parkplatz. Ein viertes Haus hat bereits Feuer gefangen.

Feuerwehrkräfte löschen mit zahlreichen Strahlrohren die brennenden Kesselwagen und kühlen die daneben stehenden. Im Hintergrund sind die Ruinen der ausgebrannten Häuser zu erkennen, im Vordergrund ausgeglühte Autowracks. Foto: Einsatzbericht der BF Zürich

Brennendes Benzin läuft in die Kanalisation und führt dort zu mehreren Explosionen, die schwere Kanaldeckel wie Geschosse in die Luft schleudern. Knapp eine Stunde nach der ersten Alarmierung erschüttert eine heftige Explosion den Schadenplatz. Nur eine Minute später wird der Sanitätsdienst zu einer Wasserentnahmestellen angefordert. Dort wurden eine Motorspritze weggeschleudert und zwei Personen verletzt. Ein 800 Meter vom Bahnhof entferntes Regenrückhaltebecken explodierte ebenso wie die Zuleitungen, wodurch der Boden regelrecht umgepflügt wurde.

Ansicht aus der Luft auf das explodierte Regenrückhaltebecken. Selbst der Boden über den Zuleitungen ist aufgepflügt. Foto: Einsatzbericht der BF Zürich

Wie durch ein Wunder konnten sich alle Bewohner der anliegenden Häuser in Sicherheit bringen oder durch Ersthelfer gerettet werden. Drei Frauen erleiden zum Teil schwere Verletzungen. Drei Häuser werden komplett zerstört, ein weiteres beschädigt. 13 Personenwagen, sechs Lieferwagen sowie zwei Wohnwagen brennen aus.

So kam es zu dem Unfall

Aufgrund der Spuren wurde die Unglücksursache schon bald bei den Waggons gesucht. Weder ein Achsbruch noch ein Radscheibenbruch konnten den Unfall ausgelöst haben. Hindernisse auf der Trasse wurden auch nicht festgestellt. Nähere Untersuchungen ergaben, dass die hinterste Achse des siebten von insgesamt 20 Kesselwagen rund 5 Kilometer vor dem Bahnhof Zürich-Affoltern das rechte Radsatzlager verloren hatte. Der Radsatz sprang etwa 2 Kilometer vom Bahnhof entfernt aus den Schienen und holperte über die Schwellen und den Schotter.

Als der Zug dann mit rund 70 Kilometern pro Stunde in den Bahnhof einfuhr, geriet nach der ersten Weiche auch die zweite Achse des hinteren Drehgestells aus den Schienen. Danach kollidierte der Kesselwaggon mit dem 60 Zentimeter dicken Betonmast einer 132-kV-Überlandleitung, der ein 1,0 x 0,8 Meter großes Leck in die Behälterwand schlug. Dadurch entgleisten weitere Wagen und stürzten zum Teil um.

Den Einsatzbericht der Berufsfeuerwehr Zürich könnt Ihr hier als PDF herunterladen.

Vor 25 Jahren verunglückte der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“ in Eschede

Eschede (NI) – Am 3. Juni 1998 bemerkt der Fahrdienstleiter am Bahnhof Eschede um 11 Uhr einen einzeln durchfahrenden Triebkopf eines Inter-City Express (ICE). Geistesgegenwärtig stellt er alle Signale des Bahnhofs nördlich der Kreisstadt Celle auf Halt. Von dem Ausmaß des Unglücks, welches sich 600 Meter entfernt ereignet hat, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Dort ist der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“ auf der Fahrt von München nach Hamburg entgleist und gegen eine Brücke geprallt. 101 Menschen sterben beim bis heute schwersten Eisenbahnunglück in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 88 werden schwer verletzt.

Um 5:45 Uhr ist der Hochgeschwindigkeitszug vom Typ ICE 1 am Münchner Hauptbahnhof Richtung Norden gestartet. An Bord rund 300 Reisende, womit der Zug glücklicherweise nur zu etwa 44 Prozent ausgelastet ist. Hinter Celle fährt der ICE mit etwa 200 km/h, als rund 6 Kilometer vor Eschede ein Radreifen der dritten Achse des ersten Wagens hinter dem vorderen Triebkopf bricht. Später wird Materialermüdung als Unfallursache ermittelt. Das Metallteil bohrt sich durch den Wagenboden und bleibt in einem Abteil zwischen zwei Sitzen stecken. An einer Straßenbrücke 200 Meter vor dem Ortsrand von Eschede passiert der ICE zwei Weichen. Der im Wagenboden steckende Radreifen reißt an der ersten Weiche den Radlenker ab, dadurch entgleist ein Radsatz und stellt bei der folgenden Weiche die Weichenzunge um. Das zweite Drehgestell des Wagens 3 wird angelenkt, der Wagen entgleist und prallt gegen einen Stützpfeiler der Straßenbrücke. Diese stürzt daraufhin ein.

Der Zug reißt jetzt auseinander. Dadurch wird auch die Hauptluftleitung getrennt. Aufgrund des Druckverlustes sprechen die Bremsen im Zug an. Während der Triebkopf alleine weiterrollt, den Bahnhof Eschede passiert und erst nach 2 Kilometern zum Stillstand kommt, bleiben die weitgehend unbeschädigten Wagen 1 und 2 sowie der am Ende schwer beschädigte Wagen 3 wenige hundert Meter nach der Brücke in Richtung Bahnhof Eschede auf dem Gleiskörper stehen. Wagen 4 entgleist ebenfalls, unterquert die einbrechende Brücke aber noch und stürzt nach rechts eine Böschung hinunter. Auf den hinteren Teil von Wagen 5 sowie Wagen 6 stürzt die rund 200 Tonnen schwere Brücke. Alle nachfolgenden Waggons schieben sich im Zickzack zusammen. Zum Schluss prallt der mittlerweile ebenfalls entgleiste Triebkopf 2 auf den Trümmerberg.

Unter der Überschrift “Die ICE-Katastrophe von Eschede” berichtete das Feuerwehr-Magazin in Ausgabe 9/1998 über das schwerste Eisenbahnunglück in Deutschland. Foto: Preuschoff

Um 11 Uhr erreicht der erste Notruf eines Anwohners die Leitstelle der Polizei. Diese informiert umgehend die Rettungsleitstelle des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sowie die Leitstelle der Feuerwehr. Um 11.03 Uhr heulen in Eschede die Sirenen. Nur vier Minuten später erreicht der Rüstwagen 2 der FF Eschede die Einsatzstelle. Weitere Einheiten folgen, die Rettungsarbeiten laufen an. 88 schwer verletzte sowie 106 leicht- und unverletzte Passagiere können die Kräfte retten. Auch ein Zugbegleiter sowie der Triebfahrzeugführer überleben das Unglück. Unter den 101 Toten befinden sich auch das übrige Zugbegleitpersonal sowie zwei Bahnmitarbeiter, die unterhalb der Brücke mit Arbeiten an den Signalanlagen beschäftigt waren.

1.900 Kräfte im Einsatz

Etwa 500 Feuerwehrleute mit 100 Fahrzeugen, 274 Rettungsdienstkräfte mit 46 Rettungswagen, 42 Krankentransportwagen und 19 Hubschraubern, 268 Kräfte von Schnellen Einsatzgruppen und Sanitätseinheiten, 39 Notärzte und 40 weitere Ärzte kommen zum Einsatz. Unterstützt werden sie von 210 Soldaten, 160 THW-Helfern, 170 Bundesgrenzschutz-Beamten (heute Bundespolizei), 140 Polizisten sowie weitere Mitarbeiter der Bahn AG und von Privatfirmen. Sogar ein BF-Lehrgang und Kräfte der Landesfeuerwehrschule Celle rücken an. Große Probleme bereitete die mangelnde Erkennbarkeit der Führungspersonen, unzureichende Funkkapazitäten sowie das völlig überlastete Mobilfunknetz.

Download Bahnunfall

In diesem Themenspecial haben wir den Bericht der Einsatzkräfte nach dem Zugunglück in Bad Aibling, das einzigartige Rettungszug-Konzept für die Hochbrücke Rendsburg und die Vorstellung von vier Krankentransportwagen auf Unimog für den Einsatz an der ICE-Trasse zwischen Erfurt und Leipzig/Halle zusammengestellt. Hier geht es direkt zum Download.

Erst am 6. Juni um 6.42 Uhr übergibt die Feuerwehr die Einsatzstelle an die Polizei. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Aufräum- und Bergungsmaßnahmen angedauert und sind alle Toten, Leichenteile sowie persönliche Gegenstände geborgen worden. Waggons, Teile, Achsen und Fahrgestelle werden auf dem Gelände des Fliegerhorsts Wietzenbruch bei Celle sichergestellt. 3 Tage später passiert um 17.35 Uhr ein Interregio als erster Zug nach dem Unglück die Einsatzstelle.

Die ICE Katastrophe 20 Jahre Eschede

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Das Zugunglück von Eschede ist das erste große Unglück, bei dem systematisch und in großem Umfang Einsatznachsorge und Notfallseelsorge betrieben wird. Schon während des Einsatzes hat die Arbeit der Notfallseelsorge für Betroffene, Angehörige und auch Einsatzkräfte begonnen. An vielen Helfern ist der Einsatz nicht spurlos vorübergegangen. Drei Wochen nach dem Zugunglück haben bereits 400 von ihnen psychologische Betreuung in Anspruch genommen, 700 waren es zum Schluss. In Celle wird dazu eine Koordinierungsstelle eingerichtet. Dieses Hilfsangebot ist eine Einrichtung vom Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes, dem Institut für Rettungsdienst Bonn, den Maltesern sowie der Berufsfeuerwehr Berlin. Über die Notfallseelsorge 10 Jahre nach Eschede berichtet das Rettungsmagazin in einem digitalen Themenspecial „Einsatz- und Notfallnachsorge“. Hier geht es direkt zum Download.

„Einsatzkräfte nicht alleine lassen“

25 Jahre nach dem Zugunglück in Eschede ist die Hilfe für Helfer in Deutschland etabliert

Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau ist für viele ein Traumberuf oder ein geliebtes und gelebtes Ehrenamt: Die Aufgaben sind vielfältig, man arbeitet im Team und kann Menschen in Notsituationen helfen. Erfolgreiche Einsätze machen stolz und motivieren. Und dann gibt es Tage wie den 3. Juni 1998. Beim schwersten Eisenbahnunglück in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Eschede sterben 101 Menschen, 123 Reisende werden zum Teil schwer verletzt. Selbst erfahrene Einsatzkräfte waren tief entsetzt, fühlten sich hilflos – Schlafstörungen, Alpträume, Selbstzweifel und Krisen in Beruf und Familie waren nicht selten die Folge.

Entlastung verschafften den annähernd 2000 haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern rund 100 Einsatznachsorgekräfte aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Speziell geschulte Personen  aus dem Einsatzwesen boten, gemeinsam mit psychosozialen Fachkräften aus dem Bereich Feuerwehrseelsorge und Psychologie, Nachsorgegespräche an. Mit Erfolg. Sie wurden breit akzeptiert und waren für viele Einsatzkräfte hilfreich. Das Unglück von Eschede war die Initialzündung der systematischen „Hilfe für Helfer“ in Deutschland.

Deutscher Feuerwehrverband und Bundesamt fördern Qualitätssicherung
Während vor 25 Jahren noch Sätze wie „Wer das nicht abkann, ist falsch hier“ verbreitet waren, herrscht heute Konsens darüber, dass Einsatzkräfte im Nachgang psychisch belastender Einsätze Hilfsangebote brauchen und auch schon vorher auf die Belastungen im Dienst vorbereitet werden müssen. Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) gründete 2000 die Stiftung „Hilfe für Helfer“ und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) förderte seither die Qualitätssicherung auf diesem Gebiet, stieß Forschungsaufträge an und moderierte die Erarbeitung von Standards. Während der Fokus anfangs vor allem auf einer guten Nachsorge von belastenden Ereignissen lag, ist der Blick heute – 25 Jahre später – differenzierter. „Es ist wichtig, dass die Einsatzkräfte nicht allein gelassen werden“, sagt der damalige DFV-Präsident Hartmut Ziebs. „Psychisch gesund zu bleiben, liegt nicht in der alleinigen Verantwortung der einzelnen Einsatzkraft und ihrer Angehörigen, sondern muss ebenso auf Organisations- und auf Führungsebene der Feuerwehren gefördert werden.“

Der damalige BBK-Präsident Christoph Unger sieht vieles von dieser Forderung schon verwirklicht. „Die Qualitätssicherung der Hilfe für Helfer ist in den letzten Jahren gut vorangekommen. Bundesweit gibt es Einsatznachsorgeteams, die meisten sind gut ausgebildet und es gibt wissenschaftlich fundierte Qualitätsstandards.“

Leitsatz heute: Belastungen senken – Schutz stärken
Mittlerweile liegt der Fokus auf der Prävention. „Wir wissen heute, dass eine gute Ausbildung, aber auch das soziale Miteinander die Arbeitsumgebung, Ausstattung und der Führungsstil der Vorgesetzten entscheidenden Einfluss auf die psychische Gesundheit der Einsatzkräfte haben“, sagt Dr. Jutta Helmerichs. Sie leitet im BBK das Referat Psychosoziales Krisenmanagement und war selbst  für die Helferinnen und Helfer von Eschede als Koordinatorin der Einsatznachsorge viele Monate vor Ort. „Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle dabei, Belastungen zu verringern und Schutzmechanismen zu stärken, zum Beispiel dadurch, dass sie ein wertschätzendes Arbeitsklima in den Einsatzorganisationen prägen“, sagt die Expertin.

Für die psychische Robustheit – Fachleute sagen Resilienz – brauche es zudem unterstützende Strukturen und Ansprechpersonen, die kontinuierlich verfügbar sind und schon vor dem Eintritt schlimmer Ereignisse bekannt sind. „Das schafft Vertrauen“, sagt Jutta Helmerichs. In dem Zusammenhang habe sich auch bewährt, dass die Hilfe für Helfer aus der Einsatzorganisation selbst kommt. „Es ist den Helferinnen und Helfern wichtig, mit jemandem sprechen zu können, der „Stallgeruch“ hat und jederzeit etwas Ähnliches erleben kann. Daher werden gezielt Einsatzkräfte in dieser Hilfe  ausgebildet.“

Bezogen auf den Schutzfaktor Ausbildung der Einsatzkräfte sei allerdings noch einiges zu tun. Zwar werden Themen wie psychosoziale Belastungen und Hilfen in der Feuerwehrausbildung hier und dort aufgegriffen. Ihre verbindliche Verankerung stehe aber noch aus, merkt Jutta Helmerichs an.

Quelle: Pressemitteilung des BBK

Nach einer umfangreichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlung beginnt ein 8 Monate dauernder Prozess gegen drei drei Mitarbeiter der Bahn. Ihnen wird vorgeworfen, die verwendeten Räder nicht ausreichend getestet zu haben. Die Staatsanwaltschaft klagt sie wegen Körperverletzung in 105 Fällen und fahrlässiger Tötung in 101 Fällen an. 16 Gutachter und 93 Zeugen sagen im Prozess aus. Letztendlich wird der Prozess gegen die Zahlung von jeweils 10.000 Euro eingestellt.

Konsequenzen aus dem Zugunglück

  • Als Konsequenz aus dem Unglück legte die Bahn 1999 fest, dass bei Neubaustrecken auf Überleitungen und Weichen vor Brücken und Tunneln verzichtet werden soll. Bestehende Strecken wurden auf Weichen vor kritischen Engstellen untersucht.
  • An der Unglücksstelle wurde eine stützenfreie Brücke errichtet.
  • Die als unfallverursachend eingestuften gummigefederten Räder mit Radreifen wurden durch Monobloc-Räder (Vollräder) ersetzt.
  • Da die Feuerwehren Probleme hatten, sich durch die druckfesten Fenster zu den Verletzten vorzuarbeiten – selbst mit Trennschleifern waren diese kaum zu zerstören -, baute die Bahn vermehrt Fenster mit Sollbruchstellen ein.
  • In Eschede wurde neben der neuen Straßenbrücke eine Gedenkstätte für die 101 Toten errichtet.

Weitere schwere Zugunglücke:

Eisenbahnunfall bei Hugstetten

Am 3. September 1882 kann auf der Breisacher Bahn bei Hugstetten (BW) ein Zug nicht mehr gebremst werden und entgleist. 64 Menschen kommen bei dem Unglück ums Leben. Damit ist dieser Eisenbahnunfall der schwerste in den ersten 100 Jahren deutscher Eisenbahngeschichte.

U-Bahn-Unfall am Gleisdreieck

Die Missachtung eines Signals führt am 26. September 1908 in Berlin am Bahnhof Gleisdreieck zu einer Flankenfahrt. Davon spricht man, wenn zwei Züge an einer Weiche seitlich zusammenstoßen. Ein Wagen stürzt aus 8 Meter Höhe von einem Viadukt auf einen darunter liegenden Platz. 17 Menschen kommen ums Leben, 18 werden schwer verletzt.

186 Tote in Genthin

Beim bis heute schwersten Eisenbahnunfall Deutschlands am 22. Dezember 1939 in Genthin (SN) kommen 186 Menschen ums Leben, 453 werden verletzt. Der Schnellzug Berlin-Neunkirchen (Saar) überfährt bei Nebel ein geschlossenes Signal und prallt mit etwa 90 km/h auf den D-Zug 10 Berlin-Köln. Dieser hatte wegen eines Missverständnisses in Genthin außerplanmäßig gehalten. Am gleichen Tag stoßen bei Markdorf (BW) ebenfalls bei starkem Nebel ein Güterzug und ein voll besetzter Personenzug auf der Bodenseegürtelbahn frontal zusammen. Der Unfall fordert 101 Todesopfer und 47 Verletzte.

Schwebebahnunfall Wuppertal

Kurios war der erste Schwebebahnunfall in Wuppertal im Jahr 1950. Am 21. Juli nutzt der Zirkus Althoff die Bahn für eine Werbemaßnahme. Dazu lassen sie die junge Elefantenkuh Tuffi mitfahren. Doch das Tier wird nervös, durchbricht ein Fenster und springt aus etwa 10 Meter Höhe in die Wupper. Tuffi bleibt unverletzt, im Waggon bricht jedoch unter den Fahrgästen eine Panik aus. Mehrere Verletzte sind die Folge.

Zugunfall durch Stromausfall

Ein Stromausfall führt im Hauptbahnhof Leipzig am 15. Mai 1960 zu einer falsch gestellten Weiche. Deshalb kollidiert ein einfahrender Eilzug mit einem ausfahrenden Personenzug. Mindestens 54 Menschen kommen ums Leben, 240 werden verletzt. Es ist einer der schwersten Eisenbahnunfälle auf dem Gebiet der Deutschen Reichsbahn in der DDR.

Zug gegen Tanklastwagen

Als der Schrankenwärter an einem beschrankten Bahnübergang an der Fernverkehrsstraße 81 nahe des Bahnhofs Langenweddingen (ST) die Schranken am 6. Juli 1967 für den Personenzug P 852 schließen will, verfängt sich einer der Sperrbäume in einem herabhängenden Telefonkabel und lässt sich nicht komplett senken. Der Fahrer eines mit 15.000 Liter Leichtbenzin beladenen Tanklastzuges geht daher davon aus, dass der Übergang für ihn frei ist. Und der Lokführer nimmt wegen des bereits auf Fahrt stehenden Einfahrtsignals an, dass die Schranken geschlossen sind. Als beide den Fehler bemerken, ist es zu spät: Trotz einer Schnellbremsung schlägt der Puffer der Lok in den Tanklastzug ein und reißt ihn mit. Dadurch schleudert der Lkw gegen den Zug. Benzin spritzt durch zahlreiche geborstene Scheiben in das Innere der Waggons sowie auf das Bahnhofsgelände. Es kommt zu einer Explosion mit einem heftigen Feuer, in dem 94 Menschen – darunter 44 Schulkinder – ums Leben kommen. Das Zugunglück gilt als das schwerste in der Geschichte der DDR.

Munitionsexplosion in Hannover-Linden

Ein Streckenposten bemerkt am Sonntag, den 22. Juni 1969, an einem vorbeifahrenden Güterwaggon Funkenflug. Als der Zug im Bahnhof Hannover-Linden angehalten wird, brennt der Holzboden bereits. Dass der Zug Munition transportiert, weiß zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Erst nach einem Blick in die Frachtpapiere wird die von dem brennenden Waggon ausgehende Gefahr deutlich. Doch da ist es bereits zu spät: Gerade als der Löschzug 4 der Feuerwehr Hannover eintrifft, explodiert der Waggon. Vier Bahnmitarbeiter und acht Feuerwehrleute sterben, 38 Menschen wurden schwer verletzt. Wir haben in Ausgabe 6/2009 an diese Katastrophe mit einem ausführlichen Einsatzbericht erinnert.

Als der Löschzug 4 der BF Hannover am 22. Juni 1969 auf dem Bahnhof Hannover-Linden eintrifft, explodiert ein Güterwaggon mit Munition. Acht Feuerwehrleute sterben. Foto: Feuerwehrmuseum Hannover

Fünf Tote in der Wuppertaler Schwebebahn

Beim Entgleisen des Wagens 4 der Wuppertaler Schwebebahn kommen am 12. April 1999 nahe der Station Robert-Daum-Platz fünf Menschen ums Leben, 47 werden schwer verletzt. Bis dahin galt die Schwebebahn als sicherstes Verkehrsmittel der Welt. Schuld war eine am Gleis vergessene Kralle.

Unfall mit dem Transrapid

Der Transrapid-Unfall von Lathen (NI, Kreis Emsland) am 22. September 2006 ist der weltweit schwerste Unfall mit einer Einschienenbahn. Obwohl sich noch ein Werkstattwagen zu Reinigungsarbeiten auf der Strecke befindet, geben die beiden Fahrdienstleiter die Strecke für die erste Fahrt an diesem Tag frei. Mit 162 km/h prallt der Transrapid 08 auf den an einer Weiche wartenden Werkstattzug. Die Magnetschwebebahn bohrt sich darunter und schiebt ihn noch 300 Meter weiter. Durch den Aufprall sterben 23 Menschen, zehn werden verletzt. Der Versuchsbetrieb ruht nach dem Unfall bis zum Juli 2008, 2011 läuft die Betriebsgenehmigung der Anlage aus und alle Tätigkeiten werden eingestellt. Wir haben in Ausgabe 12/2006 über den Einsatz berichtet.

Die Magnetschwebebahn hat sich unter den Werkstattzug gebohrt und ihn 300 Meter über die Fahrbahn geschoben. 23 Passagiere sterben an diesem 22. September 2006. Foto: Polizei

Zu hohe Geschwindigkeit: Zug entgleist

Der schwerste Eisenbahnunfall in Europa seit dem Unglück von Eschede ereignet sich – ebenfalls mit einem Hochgeschwindigkeitszug – nahe des spanischen Santiago de Compostela am 24. Juli 2013. Aufgrund überhöhter Geschwindigkeit entgleist der Zug in einem Gleisbogen. 79 Menschen überleben den Unfall nicht.

Zugunglücke von Bad Aibling

Am 28. Mai 1945 stoßen zwischen den Bahnhöfen Bad Aibling und Kolbermoor (BY) ein mit Soldaten besetzter Militärzug und ein Leerzug zusammen, fünf Menschen sterben. 71 Jahre später prallen am 9. Februar 2016 auf dem gleichen Streckenabschnitt zwei Regionalzüge ebenfalls frontal zusammen. Zwölf Menschen überleben das Unglück nicht, über 100 werden zum Teil schwer verletzt. Hier könnt Ihr unseren Einsatzbericht dazu herunterladen.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Da hast Recht.

    Nicht vergessen sollte man allerdings dann auch nicht das schwere Zugunglück im Juni 1975 bei Warngau/Oberbayern.

    Hier prallten durch eine im Fahrplan vorgesehenen “Luftkreuzung”, das bedeutete, der Bahnhof wo sich die Züge tatsächlich auf der eingleisigen Strecke kreuzen/begegnen sollten, war nicht eindeutig vorbestimmt, sondern musste für den nur sonntags verkehrenden Zug von den Fahrdienstleitern immer festgelegt/abgestimmt werden, und Missverständnisse der Fahrdienstleiter bei dieser Abstimmung gleich bei beim ersten Einsatz dieses Zuges, zwei Eilzüge auf freier Stecke mit (für diese Zeit) recht hoher Geschwindigkeit frontal aufeinander.

    Auch dieses Unglück gehört von der Anzahl der Opfer eindeutig zu den schwersten zu Zeiten der DB und rangiert hier gleich hinter der Katadtrophe von Radevormwald.

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  2. In der Aufzählung fehlt noch Brühl und – gemessen an der Opferzahlen – ganz wesentlich Radevormwald.

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