Geesthacht (SH) – Spektakuläre Rettungsaktion in der Nacht zum Dienstag am Aussichtsturm auf dem Damm des Pumpspeicherstausees an der Elbe bei Geesthacht: Ein 25-Jähriger wurde aus großer Höhe von der Feuerwehr gerettet und von einem Notarztteam mit Verdacht auf gefährliche Verletzungen an der Wirbelsäule ins Unfallkrankenhaus nach Hamburg-Boberg transportiert. Nur – der „Patient“ hatte sich seinen angeblichen Treppensturz wohl ausgedacht und keinerlei Verletzungen. Denn ein vergleichbares „Unglück“ hatte ihn nach Informationen vom Feuerwehr-Magazin schon zuvor zwei Mal ereilt. Jetzt ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft. Hinweise auf eine psychische Erkrankung lagen zunächst nicht vor, was den Mann zu seinen Notlagen motiviert hatte, ist unklar.
Mit der Drehleiter retteten Feuerwehr und Rettungsdienst den angeblich verletzten 25-Jährigen vom Aussichtsturm am Pumpspeicherstausee. Foto: Jann
Aber der Reihe nach. Gegen 0:30 Uhr am Dienstag hatte der 25-Jährige den Notruf gewählt und einen Sturz auf der Treppe des bekannten Aussichtsturms gemeldet. Die Integrierte Regionalleitstelle Süd (IRLS-Süd) in Bad Oldesloe alarmierte daraufhin einen Rettungswagen des Herzogtum Lauenburg Rettungsdienstes (HLR), gegen 1 Uhr mussten auch ein Notarzteinsatzfahrzeug des HLR sowie die Freiwillige Feuerwehr Geesthacht, die mit Hilfeleistungslöschfahrzeug und Drehleiter kam, ausrücken. Den „Verletzten“ fanden die Retter auf der zweithöchsten Ebene des Aussichtsturms, von dem aus der Blick bis weit nach Hamburg und Niedersachsen reicht.
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Der als Stahlkonstruktion errichtete Turm ist zwar nur zwölf Meter hoch, steht aber an exponierter Stelle. Viel höher geht es im Lauenburgischen nicht hinaus. Problem: Auf den engen Stufen, die sich um einen zentralen Pfeiler drehen, hatten die Retter keine Chance, den Patienten sicher zu tragen. Deshalb wurde die Drehleiter rückwärts einen schmalen Weg hinauf auf den Damm manövriert. Mit einem Lichtmast wurde die Einsatzstelle ausgeleuchtet. Dann begann die eigentliche Rettung: Der „Verunglückte“, der von starken Schmerzen berichtete und angab, offenbar längere Zeit bewusstlos auf dem Turm gelegen zu haben, wurde mit Medikamenten versorgt, dann in eine Schleifkorbtrage gelegt und diese mit dem Korb der Drehleiter schonend zu Boden gebracht. Wirbelsäulenverletzungen wurden angenommen.
Mit Blaulicht und Martinhorn ging es dann in die Unfallklinik nach Hamburg. Im Schockraum, wo die schwerverletzten Patienten aufgenommen werden, die erste Überraschung: Einem Kurzcheck zufolge hatte der Mann augenscheinlich keine nennenswerten Verletzungen. Aber jemandem aus dem Notfallteam kam der Patient bekannt vor. Die Recherche ergab, dass er bereits im Februar 2024 in Boberg zu Gast war. Nach einer ganz ähnlichen Story. Damals hatte der an der Klinik stationierte ADAC-Rettungshubschrauber „Christoph Hansa“ den damals 24-Jährigen mit einer Winde in Blumenthal bei Heiligengrabe in Brandenburg von einem Aussichtsturm gerettet und in die Klinik geflogen. Ein zuvor alarmierter Hubschrauber hatte nicht helfen können. Auch hier hatte der Patient aus dem niedersächsischen Rosengarten angegeben, auf dem 44,65 Meter hohen Turm gestürzt zu sein. Doch er kam ohne Blessuren davon. Was für ein Zufall, dass diesmal in der Klinik Erinnerungen an den Patienten von damals vorlagen.
Der zwölf Meter hohe Aussichtsturm steht exponiert am Stausee. Wegen der engen Stufen fuhr die Drehleiter rückwärts den Dammweg hinauf. Foto: Jann
Doch damit nicht genug. Einem Retter fiel dann ein, dass im Dezember 2024 auch vom Aussichtsturm in der Hahnheide bei Trittau (Schleswig-Holstein) ein Patient gerettet werden musste, für dessen schonenden Transport in eine Klinik nachts sogar ein Marine-Hubschrauber gelandet war. Eine aufsehenerregende Rettungsaktion an dem 27 Meter hohen Turm. Und tatsächlich, auch bei diesem Einsatz war der jetzt Betroffene der Auslöser, wie eine weitere Recherche ergab.
In allen drei Fällen berichtete der 25-Jährige von angeblichen Stürzen und schilderte dramatische Schmerzen. Wieso er sich so verhalten hatte, ist unklar. Er soll nun von der Polizei vernommen werden. Ein Anklagepunkt könnte der Missbrauch von Notrufen sein, möglich, dass auf den Niedersachsen Kosten in fünf- oder sogar sechsstelliger Höhe wegen der von ihm grundlos ausgelösten Rettungseinsätze zukommen.