Jugendfeuerwehr: Das Zauberwort heißt Vielfalt

In der Jugendarbeit reden derzeit alle von Vielfalt und Diversität. Die Begriffe sagen (fast) das gleiche aus. Und sie zeigen genau das auf, was auch Jugendfeuerwehrarbeit ausmacht: Jeder Mensch ist anders. Wir erklären, welche wichtige Rolle der richtige Umgang mit Vielfalt spielt.

Integration geht durch den Magen. Foto: JF Wedding

Er ist Experte in den Bereichen Diversity Management und interkulturelle Kompetenz: Projekt-Moderator und Coach Cihad Taşkin. Der Frankfurter erklärt im Interview mit Feuerwehr-Magazin-Redakteur Christian Patzelt den Begriff Vielfalt.

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FM: Wo liegt der Unterschied zwischen den Begriffen Vielfalt und Diversität?

Cihad Taşkin: Vielfalt ist umgangssprachlich, also in unsere Alltagssprache integriert. Der Begriff Diversität bedeutet im Grunde das Gleiche, findet in großen Teilen aber eher in einem Fachdiskurs statt. Ein Diversitätskonzept ist nicht nur die Beschreibung von Realitäten – die bildet eher der Begriff der Vielfalt ab –, sondern es bietet hierzu methodische und didaktische Formen. Analysieren, Bewerten, Deuten gehören dazu. Im alltäglichen Gebrauch der Begrifflichkeiten geht es dann eher um Umgehen, Mitgestalten und das eigene Erleben – eben der Vielfalt.

FM: Wie würden Sie den Begriff Vielfalt in der Jugendfeuerwehrarbeit beschreiben?

Taşkin: Ich arbeite seit rund 10 Jahren im Kontext Feuerwehr und hier sehr stark mit dem Fokus auf der Jugendfeuerwehr. Nach unserer Erfahrung spielen die Aspekte Vielfalt, Beteiligung und Kameradschaft eine besondere Rolle. Vielfalt ist eine wesentliche Säule für die Jugendfeuerwehr, welche sich zunehmend stärker herauskristallisiert – gerade wenn wir uns mit den Jugendlichen in der Praxis, der konkreten Arbeit, austauschen und Projekte entwickeln.

Jugendfeuerwehr_Vielfalt_06

FM: Erkennen Sie Besonderheiten bei den Jugendfeuerwehren?

Taşkin: Unter dem Stichwort sexuelle Orientierung beispielsweise ist nach meiner Erfahrung der Umgang, die Wahrnehmung und Akzeptanz in den Jugendwehren unterschiedlich. Kulturelle und religiöse Aspekte werden mitgroßer Neugier, aber auch mit vielen Fragen an uns zurückgespiegelt.

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FM: Aber Vielfalt ist mehr als nur interkulturelle Öffnung?

Taşkin: Vielfalt sollten wir nicht nur verstehen auf der Ebene von sogenannten Herkunftskulturen – also beispielsweise Deutsch, Türkisch, Arabisch oder Italienisch. Es gilt auch der Bezug auf die Ebene von sozialen Komponenten, Schulabschluss- und Bildungsaspekten sowie der Blick auf Berufskultur und geschlechterthematische Aspekte.

FM: Ist Jugendfeuerwehrarbeit aus Ihrer Sicht durch Vielfalt geprägt?

Taşkin: Ja natürlich, jeder Jugendliche ist anders. Es ist eine absolute Bereicherung. Die große Aufgabe besteht darin, diesen Reichtum in den Übergängen gut zu moderieren und qualifiziert an die eigene Jugendfeuerwehrkultur und Tradition anzupassen beziehungsweise in diese zu integrieren. Es darf nicht zu einer Einbahnstraße werden. Das voneinander lernen und die Unterschiede zulassen können, das kann zu einer Stärke werden. In vielen Wehren, in denen ich arbeite, wird das auch gelebt.

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FM: Können Sie sagen, wo es noch Barrieren in den Köpfen gibt?

Taşkin: Es ist schwierig, hier allgemein etwas aufzuführen. Denn die Barrieren in den Köpfen sind so vielfältigwie die Menschen, denen wir begegnen: Natürlich gibt es gewisse Sperren in Köpfen. Das kennt jeder auch von sich selbst. Auch in unseren Qualifizierungs- und Fortbildungsprogrammen zu Diversität und interkultureller Öffnung, aber auch bei den Führungskräftetrainings im Freiwilligenmanagement, gestalten sich die Barrieren vielfältig. Manche stammen aus der eigenen Erfahrung, die meisten sind  aber eher unbewusst gewachsen. Wieder andere werden bewusst aufrecht gehalten. Es gibt keine, die ich verallgemeinern könnte.

FM: Ist eine Uniform nicht ein Gegenspieler für den Vielfalt-Gedanken?

Taşkin: Nein. Meiner Erfahrung nach kann eine Uniform gerade auch eine verbindende Größe darstellen, die vermeintliche Unterschiede einebnet zugunsten einer übergeordneten Aufgabe, eines Ziels oder der Inhalte, die dadurch repräsentiert werden. Es kommt immer auf ihre Vermittlung an und mit welcher Geschichte man sie verbindet. Es zählt die Story, die mit einer Uniform erzählt wird oder werden soll. Im Sinne der Vielfalt kann es einen Rahmen schaffen, in dem Vielfalt gelebt wird.

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