Ist der Klimawandel schuld?

US-Waldbrände: Warum es so schlimm ist

USA – Auch dieses Jahr brechen die Wald- und Flächenbrände im Westen der USA wieder alle Rekorde der Geschichte des Landes. Betroffen sind vor allem die Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington. Seit Jahresbeginn verzeichnen die Vereinigten Staaten laut National Interagency Fire Center knapp 47.000 Feuer und über 3,45 Millionen Hektar verbrannte Fläche (Stand 27.10.2020). Das ist etwas mehr als die Gesamtfläche Nordrhein-Westfalens. Warum ist das so? Eine Analyse.

Einsatzkräfte sind dabei, ein Spotfeuer einzudämmen, das beim El Dorado Fire im September 2020 entstand. Der Vegetationsbrand forderte das Leben eines Feuerwehrmannes. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen wurde er durch eine Fehlzündung einer Pyrotechnik ausgelöst, die bei einer Gender Reveal Party (deutsch: Geschlechtsenthüllungsparty) zum Einsatz kommen sollte. Foto: 35.Mike Fire Photo

Bereits das Jahr 2018 war bekannt dafür, alle bisher dagewesenen Dimensionen von Waldbränden seit Beginn der Aufzeichnungen durch die Behörden übertroffen zu haben. Doch diesmal ist es noch schlimmer.

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Drei Meldungen waren es bislang, die durch die Presse auch die deutschen Leserinnen und Leser erreicht haben:

  1. Auf einer Gender Reveal Party (deutsch: Geschlechtsenthüllungsparty) in San Bernadino (Kalifornien) kam es am 5. September 2020 zu einer Fehlzündung einer Pyrotechnik. Diese löste nach derzeitigem Stand der Ermittlungen das El Dorado Fire aus, in dem ein Feuerwehrmann starb. Bei einer Gender Reveal Party wird das Geschlecht eines ungeborenen Kindes von seinen Eltern bekannt gegeben.
  2. Beim Creek Fire im Sierra National Forest (Kalifornien) retteten zwei Hubschrauber-Crews der Nationalgarde – freiwillige Milizsoldaten – am 5. September insgesamt 214 von den Flammen eingeschlossene Menschen. Sie flogen je dreimal mit ihren Sikorsky UH-60M Black Hawk- und Boeing CH-47F Chinook-Maschinen durch dichten Rauch, um die Eingeschlossenen zu befreien.
  3. Am 26. Oktober wurden 91.000 Menschen in Orange County (Metropolregion von Los Angeles, Kalifornien) aufgefordert, ihre Wohnungen wegen des Silverado Fire zu räumen. Zwei Feuerwehrleute erlitten schwerste Verbrennungen bei der Bekämpfung der Flammen.
    Eine Luftaufnahme zeigt, wie nah das Feuer der Stadt kommt.

Was jedoch bislang weniger Beachtung fand, ist die gewaltige Größe der Feuer. Allein das August Complex Fire misst über 400.000 Hektar verbrannte Fläche. Ursprünglich waren es 38 separate Brände, die Mitte August hauptsächlich durch Blitzschlag entstanden waren und nacheinander zu immer größeren Feuern zusammenliefen. Mittlerweile ist es der größte zusammenhängende Waldbrand in der Geschichte der Aufzeichnungen Kaliforniens.

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Insgesamt wurden seit Beginn der Waldbrandsaison 2020 Ende Juli rund 14.000 Gebäude zerstört. 43 Menschen sind in den Flammen ums Leben gekommen.

Ist der Klimawandel schuld?

Der Klimawandel begünstigt die Rahmenbedingungen für die Rekord-Waldbrände weltweit. Experten sprechen von Fire Weather Conditions (deutsch: Feuer-Wetter-Bedingungen), wenn an einem Tag hohe Temperaturen, keine oder eine sehr geringe Niederschlagsmenge, eine niedrige Luftfeuchtigkeit und hohe Windgeschwindigkeiten zusammentreffen. Im langfristigen Trend erhöht der Klimawandel die Anzahl der Tage im Jahr, an denen diese Bedingungen vorherrschen. 

Wissenschaftler fanden heraus, dass von 1979 bis 2019 im weltweiten Jahresdurchschnitt 8 Tage mit Fire Weather Conditions hinzugekommen sind. In Kalifornien hat sich die Zahl von Tagen mit diesen Bedingungen im Herbst sogar verdoppelt. Die Frage ist also klar mit “ja” zu beantworten.

Verpasstes Landschafts-Management

Aber der Klimawandel ist nicht der einzige Faktor. Paul F. Hessburg forscht beim US Forest Service – der obersten Forstbehörde der Vereinigten Staaten – unter anderem an Landschaftsveränderungen und Waldbränden. Er sagt: “Einzelne Feuer, die größer sind als 100.000 Acres (ca. 40.500 Hektar) sind auf dem Vormarsch. Wir nennen sie ‘Mega Fires’ (Megafeuer). Megafeuer sind das Ergebnis eines sich erwärmenden Klimas. Und: unseres Landschafts-Managements der letzten 150 Jahre.” 

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts sei die Vegetation im Westen der USA ein großer Flickenteppich gewesen. Grasland und offene Flächen wechselten sich mit Wäldern ab. In den Wäldern befanden sich überall Lücken. Zum großen Teil verursacht durch kleinere Feuer, die sogar häufig beabsichtigt waren. Etwa von den indigenen Einwohnern Nordamerikas.

Doch der “Big Burn” – ein riesiger Vegetationsbrand im Jahr 1910 – habe eine Trendwende eingeläutet. Plötzlich waren Waldbrände der “Staatsfeind Nummer Eins” und es wurde jedes noch so kleine Feuer bekämpft. Hessburg zufolge hätten die Einsatzkräfte jedes Jahr 95 bis 98 Prozent der Feuer gelöscht. Das führte dazu, dass nicht mehr Waldbrände sondern Brandbekämpfungen der größte Faktor in der Veränderung der Landschaften waren. 

Die massive Abholzung von alten Bäumen führte dazu, dass junge und leichter brennbare Bäume die Lücken in den Wäldern füllten. Durch das Fehlen der Brände wurden die Wälder erstens immer dichter und zweitens sammelte sich immer mehr Totholz auf den Böden – eine stetig anwachsende und extrem vernetzte Brandlast.

Video mit dem Vortrag von Paul F. Hessburg:

Mittlerweile werden in den westlichen Bundesstaaten zwar wieder kontrollierte Brände im Frühjahr durchgeführt, um die Brandlasten zu senken. Doch die Einsatzkräfte kommen mit den Aufträgen nicht hinterher. Das liegt teilweise daran, dass die Wetterbedingungen für so ein kontrolliertes Feuer optimal sein müssen. Und die Behörden müssen ständig darauf achten, dass die angeordneten Brände die Luftqualität in den Städten nicht gefährden, um nur einige der Hindernisse zu nennen. Dieses Jahr kommt die Corona-Pandemie noch hinzu, die die Arbeit extrem verzögert hat.

Wohnungsbau im Brandgebiet

Die Vegetationsbrände sind aber auch deshalb so verheerend, weil sie auf Siedlungen beziehungsweise Städte übergreifen, die inmitten von Wäldern errichtet wurden. Man spricht hier vom Wildland-Urban-Interface, der Begegnungszone zwischen Wald und Wohnbebauung. Diese Siedlungen wiederum sind Folge der vielerorts nicht mehr bezahlbaren Wohnräume.

Wie die “New York Times” in ihrem Podcast “The Daily” berichten, hat der Bundesstaat Kalifornien Kommunen Gelder zugesagt, wenn sie zusätzlichen Wohnraum für Menschen schaffen, die die irrsinnig teuren Mieten und Grundstückspreise etwa in San Francisco oder Los Angeles nicht zahlen können. Diese häufig klammen Kommunen wiederum hätten daraufhin Siedlungen in Wäldern errichten lassen, weil dies besonders kostengünstig gewesen sei. 

Vergleiche man verbrannte Areale, werde deutlich, dass heute wesentlich mehr Häuser und Wohnungen zerstört werden, als früher. Und dann käme noch die Emotion dazu. Kein Bürgermeister würde nach einem Feuer sagen: “Wir bauen es hier nicht wieder auf, das ist zu gefährlich.” Stehen die Siedlungen dann wieder, sprängen reihenweise die Versicherungen ab und die Eigentümer stünden vor hohen Verlusten.

Ein ganz schön komplexes Thema, das – neben den Feuerwehrleuten, die ihr Leben und ihre Gesundheit risikieren – vor allem zwei Leidtragende trifft: Menschen mit niedrigem Einkommen und die Natur.

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