Gedenken an Waldbrand von 1975

Tödlicher Kampf gegen den Feuersturm

Meinersen (NI) – Vor 50 Jahren, am 10. August 1975, loderten in Niedersachsen vielerorts die Flammen. Die Wälder brannten – bereits seit Tagen. Meterhohe Flammen, ungeheure Geräuschkulissen und tausende Einsatzkräfte über Tage an mehreren Brandstellen. Bis heute sind die Ereignisse unvergessen. Am gestrigen Sonntag erinnerten sich Vertreter von Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen, Bundeswehr sowie Politik und Verwaltung an die Brände, die auch das Leben von sechs Feuerwehrleuten und einem Polizisten forderten.

Mahnwache an der Gedenkstätte nahe der Ortschaft Meinersen. Hier starben fünf ehrenamtliche Brandbekämpfer, als sie mit ihrem TLF 8 auf Borgward-Fahrgestellt plötzlich in einen Feuersturm gerieten. Foto: Mönkemeier

Im August 1975 herrschte in Niedersachsen unter anderem durch wochenlange Trockenheit und extreme Hitze ein erhöhtes Waldbrandrisiko. Die Temperaturen stiegen auf bis zu 35 °C und lagen damit etwa 6 °C über dem Normalwert der Region. An manchen Tagen sank die relative Luftfeuchtigkeit zudem unter die kritische Marke von 30 Prozent.

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Zu dieser Zeit waren etwa 20 Prozent Niedersachsens bewaldet. In den drei betroffenen Landkreisen Gifhorn, Celle und Lüchow-Dannenberg dominierten Kiefern die Wälder. Sie zählen zu den brandanfälligsten Baumarten in Deutschland. Drei Jahre zuvor, am 13. November 1972, hatte der Orkan Quimburga (auch bekannt als „Niedersachsenorkan“) eine Schneise der Verwüstung in den Wäldern hinterlassen. Bei Windgeschwindigkeit von bis zu 167 km/h hatte er etwa 16 Millionen Kubikmeter Holz umgeworfen.

Delegationen von Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen und Bundeswehr feierten gemeinsam mit Vertretern aus Politik und der Bevölkerung einen Gedenkgottesdienst. Foto: Mönkemeier

Bis zum August 1975 war der Großteil des verwertbaren Holzes bereits abtransportiert. Doch der übrige Windbruch war teils zu kilometerlangen Totholzwällen zusammengeschoben, noch immer in den betroffenen Waldgebieten. „Dieses sehr trockene und unverwertbare Material begünstigte eine schnelle Ausbreitung der Waldbrände und behinderte die Löscharbeiten”, heißt es in einem späteren Erfahrungsbericht zur Waldbrandkatastrophe 1975 des Niedersächsischen Innenministeriums.

PDF-Download: Download Heidebrand von 1975

Der Heidebrand von 1975 gilt als schwerste Waldbrandkatastrophe Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg. 34.000 Kräfte kämpften mehrere Tage gegen die Flammen.

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Eine Katastrophe nimmt ihren Lauf

Die Brandserie begann am Freitag, 8. August 1975, bei Stüde/Neudorf-Platendorf (Kreis Gifhorn). Um 13:25 Uhr heulten die Sirenen. Aufgrund der schnellen Brandausbreitung in dem betroffenen Wald- und Moorgebiet alarmierte die Einsatzleitung um 14:10 Uhr sämtliche TLF des Kreises hinzu. Um 15 Uhr löste Oberkreisdirektor Rolf Wandhoff zudem Katastrophenalarm aus, woraufhin alle verfügbaren Feuerwehreinheiten in den Einsatz gingen.

Ortsbrandmeister und Stellvertreter entzündeten für jeden der tödlich verunglückten Feuerwehrkameraden eine Kerze. Foto: Mönkemeier

Auch am folgenden Samstag, 9. August 1975, gelang es nicht, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Um 12:30 Uhr kam ein weiterer Großbrand nahe des Bahnhofs Leiferde hinzu. Kräfte mussten verlegt werden. Bis zum frühen Abend war zumindest dieses Feuer unter Kontrolle.

Am Sonntag, 10. August 1975, entfachte sich etwa zwei Kilometer von der Brandstelle des Vortags entfernt ein neuer Brand im Kreis Gifhorn. Feuerwehren aus Braunschweig, Wolfsburg, Fallersleben und Hohenhameln machten sich zur Unterstützung auf den Weg. Ebenso Einheiten der Bundeswehr und des Technischen Hilfswerks. Wechselnde Winde trieben die Flammen in immer neue Richtungen.

Insgesamt sechs Feuerwehrleute sind im Zusammenhang mit den Wald- und Heidebrände im Jahr 1975 verstorben. Foto: Mönkemeier

Östlich der Ortschaft Meinersen kam es zur Tragödie: Kameraden aus Fallersleben (Stadt Wolfsburg) und Hohenhameln (Kreis Peine) bekämpften hier ein harmlos scheinendes Bodenfeuer. Dazu nutzten sie ein TLF 8 von Borgward der FF Fallersleben. Plötzlich drehte der Wind und ließ eine schätzungsweise 350 Meter breite und fast 50 Meter hohe Flammenwand aufwachsen. Fünf Kameraden gelang die Flucht aus dem Feuersturm nicht. Sie verbrannten in unmittelbarer Nähe ihres Fahrzeugs.

Die Teilnehmer der Veranstaltung haben vor der Gedenkstätte Aufstellung genommen. Foto: Mönkemeier
Auf dem Luftbild wird die Lage der Gedenkstätte im Wald deutlich. Der Kiefernbestand ist inzwischen nachgewachsen. Foto: Kreisfeuerwehrpressestelle / Vasel

Die Brandbekämpfer im Alter zwischen 16 und 48 Jahren waren nicht die ersten zu beklagenden Todesopfer. Kreisbrandmeister Friedrich Meyer verstarb bereits am 8. August auf der Rückfahrt vom Einsatzort nach Hause an den Folgen eines Herzinfarktes. Kurz zuvor hatte er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Einsatz entlassen und den Heimweg angetreten.

Friedrich Wandschneider auf dem Weg zum Rednerpult. Der Ehrenortsbrandmeister der FF Fallersleben hielt die Rede an der Gedenkstätte. Foto: Mönkemeier
Aufmerksam folgten die Anwesenden den Ausführungen von Wandschneider, der als 24-Jähriger selbst bei der Bekämpfung der Waldbrände im Einsatz gewesen war. Foto: Mönkemeier

Am 17. August 1975 um 18 Uhr wurde der Katastrophenalarm schließlich aufgehoben. An diesem Tag gab es zudem ein weiteres Todesopfer: Ein Polizist erlitt tödliche Verletzungen, als der von ihm genutzte Funkstreifenwagen bei einer Alarmfahrt von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug der Bundespolizei verfolgte einen mutmaßlichen Brandstifter.

Gedenken an die Katastrophe

50 Jahre nach der Tragödie bei Meinersen sind Delegationen der damals eingesetzten Institutionen sowie Politiker und Bürger in Meinersen zusammengekommen. Jährlich am 10. August erinnert der Waldbrandgedenktag an die tragischen Ereignissen, ihrer Opfer und den heldenhaften Einsatzkräften von 1975. Den Auftakt der Veranstaltung bildete ein den verstorbenen Feuerwehrleuten gewidmeter Gottesdienst im Kulturzentrum Meinersen. Pastorin Julia Flanz setzte sich währenddessen unter anderem mit dem Leitspruch der Freiwilligen Feuerwehr, „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr!“, auseinander. Im Rahmen der Veranstaltung entzündeten einige Ortsbrandmeister und Stellvertreter für jeden Verstorbenen eine Kerze als Licht der Hoffnung.

Anteilnahme im Rahmen der Kranzniederlegung. Im Hintergrund die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens. Foto: Mönkemeier
Zentrales Element der am Unglücksort eingerichteten Gedenkstätte ist ein Gedenkstein, der an das Schicksal der hier verunglückten Einsatzkräfte erinnert. Foto: Mönkemeier

Im Konvoi fuhren die Teilnehmer anschließend zur Kranzniederlegung am Ehrenmal. Vor Ort sprach Ehrenortsbrandmeister Friedrich Wandschneider. Er (damals 24 Jahre jung) zählt inzwischen zu den wenigen Zeitzeugen, die damals selbst gegen die Flammen kämpften. Aufmerksam folgten die Anwesenden, darunter auch die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens, den Ausführungen.

Wandschneider war im August 1975 auf einem von der BF Wolfsburg bereitgestellten TLF im Pendelverkehr an der Brandstelle in Stüde eingesetzt. Über Funk hat der Fallersleber nach und nach von Details zum tödlichen Unglück bei Meinersen erfahren. Um 23 Uhr wurde er abgelöst und fuhr zurück in die Heimat. Seine Ausführungen zur Stimmung im Gerätehaus sowie der Ungewissheit seiner Eltern und Kameraden über sein eigenes Wohlergehen schildern eindrucksvoll die Dramatik jener Stunden.

Mehrere Einsatzkräfte hielten vor der Gedenkstätte inne. Die meisten sind auf ihre ganz persönliche Art und Weise mit der Katastrophe verbunden. Foto: Mönkemeier

Die abschließende Gedenkveranstaltung im Kulturzentrum war geprägt von weiteren Reden und Zeitzeugenberichten. Darunter auch mahnende Worte für die Aufstellung und Unterhaltung leistungsfähiger Feuerwehren – insbesondere mit Blick auf den Klimawandel und das damit einhergehende Risiko für ähnliche Naturkatastrophen.

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