Neue Zielgruppen und bessere Tagesverfügbarkeit

6 Thesen zum Personalwesen bei der Freiwilligen Feuerwehr

Bremen – Wie stellt sich die Freiwillige Feuerwehr in Zukunft auf? Welche Chancen bietet die Corona-Krise? Simon Galka von der FF Rheurdt (NW, Kreis Kleve) stellt sechs Thesen vor, die die Feuerwehren nachhaltig verändern könnten.

Wenn Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr tageweise im Home-Office arbeiten, verbessert sich die Tagesverfügbarkeit. Foto: Galka

Von Simon Galka

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Corona prägt den Feuerwehralltag und lässt die Kameraden mit dem ungewohnten Gefühl zurück, nicht vollständig die Kontrolle über die aktuelle Lage zu haben. Schwarzmalerei liegt weder in der Natur der Feuerwehr noch hilft sie, wieder vor die Lage zu kommen. Wenn die Freiwillige Feuerwehr es schafft, die aktuelle Krise mit Mut und Geschick als Chance für eine zukunftsfähige Personalplanung und Mitgliedergewinnung zu begreifen, wird sie aus dieser Situation gestärkt hervorgehen.

  • Home-Office wird die Tagesverfügbarkeit langfristig verbessern.

Bereits im Jahr 2011 sahen sich rund 85 Prozent der Feuerwehren mit einer schlechten Tagesverfügbarkeit ihrer Einsatzkräfte konfrontiert. Besonders im ländlichen Raum, wo viele Einsatzkräfte aufgrund von wohnortsfernen Arbeitsstellen nicht für die Freiwillige Feuerwehr zur Verfügung stehen, liegt die Tagesalarmbereitschaft am unteren Limit – vielerorts auch darunter. Knapp 40 Prozent der Berufstätigen in Deutschland pendeln täglich zur Arbeit in einen anderen Kreis. Allein die Fahrt nimmt im Deutschlandschnitt rund 20 Minuten in Anspruch. Das entspricht 7,1 Tagen pro Jahr. Etwa die Hälfte aller Pendler legt pro Strecke 20 Kilometer oder mehr zurück. Für einen Einsatz in ihrer Heimatwehr fallen sie damit aus.

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Wenn sich Heimarbeit nach der Corona-Krise stärker etabliert, wird das nicht nur das freie Zeitkontingent des Einzelnen vergrößern, sondern auch die Tagesalarmbereitschaft der Feuerwehr verbessern. Über 40 Prozent aller Jobs sind theoretisch auch im Home-Office möglich, wurden aber vor der Corona-Krise nur zu 12 Prozent tatsächlich dort ausgeübt. Ein Rechenbeispiel: Würden nach der virusbedingten Umstrukturierung der Arbeitswelt weiterhin rund 25 Prozent der Feuerwehrleute an einem Tag pro Woche im Home-Office arbeiten, hätte das bereits immense Folgen. Bei einem Löschzug mit einer Personalstärke von 40 Kräften entspricht dies zehn Feuerwehrleuten, die in einer Arbeitswoche mindestens einmal zu Hause arbeiten.  Somit erhöhen pro Werktag also zwei zusätzliche Kräfte die Tagesverfügbarkeit. Für eine Feuerwehr mit 120 Mitgliedern kommt so schon eine komplette Staffelbesatzung von sechs Einsatzkräften zusammen.

Wechselt eine Einsatzkraft fortan an 46 von 230 jährlichen Arbeitstagen ins Home-Office, verbringt sie nicht nur die Arbeitszeit von acht Stunden plus eine Stunde Pause zu Hause. Sie gewinnt zusätzlich den durchschnittlich 40-minütigen Arbeitsweg. Das sind satte 26.680 Minuten potenzielle Einsatzbereitschaft für die Feuerwehr pro Jahr und Person. Wohlgemerkt mit nur einem Tag Home-Office pro Woche.

  • Der Dialog mit den Arbeitgebern wird immer wichtiger.

Flexible Arbeitsmodelle wie beispielsweise Home-Office werden in vielen Unternehmen noch kritisch beäugt. Abgesehen von den für diese Modelle erforderlichen technischen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen müssen im Dialog zwischen dem ehrenamtlich aktiven Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber natürlich auch Lösungen für potenzielle Spannungsfelder gefunden werden. Neu ist der Ansatz mit den Aktiven zu sprechen, die normalerweise weit außerhalb des Einsatzgebietes arbeiten. Ansätze für diejenigen zu finden, die vor Ort arbeiten, aber nicht ausrücken dürfen, ist ein altbekanntes Problem. Die gesetzliche Pflicht zur Freistellung war und ist landesrechtlich eindeutig geregelt. Jetzt ist das Stimmungsumfeld gegeben, diese im konstruktiven Gespräch endlich auch einzufordern.

Lockere Arbeitgeberdialog-Veranstaltungen werden in Zukunft das geeignete Format sein, um über das Feuerwehrwesen aufzuklären, über gemeinsame Themen wie Pandemien, Krisenmanagement oder betriebliche Sicherheit zu reden und vielleicht sogar weitere Teile der Belegschaft für die Feuerwehr zu begeistern.

  • New Work macht neue Zielgruppen zugänglich.

Traditionelle Rollenmodelle sind überholt. Viele Frauen werden nun von ihren im Home-Office arbeitenden Partnern bei Kinderbetreuung und Haushalt entlastet werden. Das verschafft ihnen mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement. Die Feuerwehr ist gut beraten – im Rahmen ihrer Mitgliedergewinnung – die weibliche Zielgruppe verstärkt und gezielter anzusprechen. Ebenfalls relevant: So genannte Freelancer (freie Mitarbeiter), für die digitales Arbeiten von zu Hause schon lange zum Alltag gehört.

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  • Helfen ist wieder in.

Gute Vorzeichen für die Feuerwehr: Durch Corona steigt nicht nur die Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber systemrelevanten Tätigkeiten. Auch die Bereitschaft, sich selbst gesellschaftlich zu engagieren, nimmt zu. Menschen beginnen, über Sinnstiftung nachzudenken, sind fokussierter und merken, dass dank der Entschleunigung deutlich mehr Zeit für wichtige Dinge – wie zum Beispiel die Feuerwehr – bleibt.

  • Der Feuerwehralltag wird flexibler.

Mit neuen Mitgliedern aus bislang unterrepräsentierten Zielgruppen halten auch neue Gewohnheiten und Werte Einzug, auf die sich die Feuerwehr einstellen muss. Empirische Studien belegen, dass die Vereinbarkeit von Ehrenamt, Beruf und Privatleben zu den größten Herausforderungen von aktiven Mitgliedern und zu den größten Barrieren bei denen, die es noch werden sollen, zählen. Der Flexibilisierung von Dienst- sowie Aus- und Fortbildungsangeboten wird künftig entscheidende Bedeutung für die Mitgliedergewinnung und -bindung zukommen. Schon mal daran gedacht, einen Übungsdienst für Schichtarbeiter oder Angestellte der Kommunalverwaltung tagsüber stattfinden zu lassen?

  • Digitale Lösungen bestehen ihre Feuertaufe.

Deutschland wird aktuell vom Coronavirus zwangsdigitalisiert. Diese erzwungene Virtualisierung vieler Gesellschaftsbereiche ist für die Zukunft der Feuerwehr unter dem Strich ein Gewinn. Ausbildungsdienste, Dienstbesprechungen und Formate der Mitgliedergewinnung werden plötzlich über Videokonferenzsysteme und Social-Media-Plattformen abgehalten. Plötzlich scheint alles online möglich. So verlegte die Feuerwehr Bochum ihren Jugendfeuerwehrdienst kurzerhand in einen Live-Stream und lud öffentlich zur Teilnahme ein.

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Digitale Aktionen mit Feuerwehr-Malvorlagen und Kreuzworträtseln ziehen Kreise, Feuerwehr-Challenges gehen viral. Das ist digitales Mitgliedermarketing par excellence. Die Feuerwehr und insbesondere ihre Mitglieder älterer Generationen erlangen endlich das Handwerkszeug, das bei jungen Leuten längst alltäglich ist. Dies weiterzuverfolgen und fortan digitale Angebote in den Feuerwehralltag zu integrieren, wird sich auszahlen. Denn wer junge Leute ansprechen will, muss erstmal ihre Sprache sprechen. Willkommen im digitalen Zeitalter.

Autor Simon Galka ist Unterbrandmeister bei der Freiwilligen Feuerwehr Rheurdt. Neben dem Einsatzdienst ist er für die Jugend- sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig und kümmert sich unter anderem um die Mitgliedergewinnung. Hauptberuflich arbeitet er als Projektmanager bei einer Personalmarketingagentur. Er hat sich während der Corona-Pandemie Gedanken zur zukünftigen personellen Entwicklung bei der Feuerwehr gemacht.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Lieber Thomas, da gebe ich dir vollkommen Recht. Digitale Lösungen sind nicht nur krisenresistent, sie sind vor allem effizient und bestens recyclebar. Digitale Schulungsangebote lassen sich aufzeichnen und vielfach wiederverwenden, lassen sich live an externe Interessierte streamen, sparen wiederkehrenden Materialkosten und machen sowohl junge als auch alte Kameraden/innen obendrein auch noch fit für die digitale Zukunft. Wer die Digitalisierung (bzw. besser gesagt Digitale Transformation) noch immer leugnet, hat die Zeichen der Zeit leider nicht verstanden … Also: Viel Erfolg und go for gold!

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  2. Hallo Joseph, ich bin ein absoluter Freund deines Ansatzes und auch der Meinung deines Vorredners. Wie in meinem Kommentar an ihn, kann ich nur sagen: Sprechen mit Verwaltung, Wirtschaft und Politik hilft. Sicherlich wird nicht alles aus der rosaroten, idealtypisch skizzierten Welt meines Artikels umsetzbar sein, aber de facto wäre schon ein/e zusätzliche/r ehrenamtliche/r Kamerad/in, der/die durch sein/ihr plötzliches einsatzbedingtes Fehlen nicht direkt einen wirtschaftlichen Kollateralschaden bei seinem Betrieb hinterlässt, pro Einsatz ein Erfolg. Eine/r ist besser als keine/r.

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  3. Da sprichst Du natürlich einen absolut bekannten und wichtigen Aspekt an. Bevor es noch mehr an die Zeitressourcen von Ehrenamtlern geht, sehe ich auch zunächst die eigene Kommune in der Pflicht. Leider sind hierzulande aber noch lange nicht alle Beteiligten der Kommunen wachgerüttelt worden.
    Und klar ist auch: Die etwas idealistische und vereinfachte Formulierung in meinem Artikel muss natürlich immer im Einzelfall von jedem/r Kameraden/in selbst bzw. gemeinsam mit dem/r Vorgesetzten abgewogen werden – kann ich jetzt wirklich zum Einsatz gehen? Ist mein Wert für diesen Einsatz gerade größer als mein Mehrwert in der Firma? Auch hier greift wohl die aus dem Einsatz bekannte 10-Sekunden-Regel („10 Sekunden Erkundung spart 10 Minuten Einsatzdauer“) insofern, als dass 10 Sekunden Überlegen, Abstimmen oder Augenkontakt mit dem/der Chef/in im Zweifel wohl über 10.000 oder mehr Euros für den Betrieb entscheiden können.
    Dennoch: Mehr Leute im Home-Office, bedeuten – Einzelfälle vorbehalten – definitiv eine bessere Tagesverfügbarkeit. Denn man muss ja auch sagen, dass Jobs, die so flexibel sind, dass sie im Home-Office leistbar sind (und von denen spreche ich ja in meinem Artikel primär) grundsätzlich auch besser nach einem Einsatz nachgeholt werden können, als handwerkliche Gewerke.

    Sowohl im Überzeugungsprozess der eigenen Kommune als auch im Gespräch mit den lokalen Arbeitgebern lassen sich aber die im Artikel genannten Dialogveranstaltungen empfehlen. Im Rahmen dieser lockeren Events lässt sich wunderbar aufklären, vermitteln und meist auch ein Konsens zwischen Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Feuerwehr finden.

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  4. WS trifft den Nagel auf den Kopf: es ist ja schön, wenn zum Beispiel 100€ Lohnkosten erstattet werden, dafür aber zum Beispiel 50.000€ Folgekosten entstehen, weil ein Auftrag nicht rechtzeitig fertig wird und eine Vertragsstrafe fällig wird; oder noch schlimmer: der Kunde bestellt zukünftig gar nicht mehr bei der betroffenen Firma.
    Daher gehört die Freistellung der Feuerwehrangehörigen grundsätzlich aus dem Gesetz gestrichen. Stattdessen sollte eine Feuerwehrpflicht für angestellte des ÖD (vor allem der Bauhof würde sich für so etwas anbieten) eingeführt werden, sodass diese tagsüber den Feuerwehrdienst abdecken (natürlich im Rahmen ihrer Arbeitszeit). So entsteht kein finanzieller Schaden und die FFW kann weiterhin in ihrer Art funktionieren.

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  5. Guter Beitrag!!
    In dem Zusammenhang mal die Frage: Was hat ein Handwerksunternehmer davon ,wenn einer von zwei Mitarbeitern während der Arbeitszeit zum Feuerwehrdienst weg ist?!; direkte Lohnkosten werden auf Antrag ersetzt. Wertschöpfung die der FM in dieser Zeit für den Betrieb erwirtschaftet hätte= 0, Fixkosten Betriebshaftpflicht, Gewerbesteuer !! Energiekosten müssen nun von dem verbleibenden Mitarbeiter erwirtschaftet werden , die versäumte Arbeit muss unter Mehrkosten nachgeholt werden.)
    Der Arbeitgeber zahlt also drauf (Der Mitbewerber ohne Feurwehrangehörige hat einen Vorteil!!)
    Mein Vorschlag: Arbeitgeber von Feuerwehrleuten dürfen für die Ausfallzeiten durch den Feuerwerhrdienst nicht nur die Lohnkosten, sondern den normalen Stundenverrechnungssatz incl. Wagnis-und Gewinn an die Kommunen geltend machen.

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  6. Hallo Simon,
    deine Thesen sind ein wirklich guter Ansatz. Ich selbst bin seit 12 Jahren Ortswehrführer einer Freiwillgen Feuerwehr mit 25 Einsatzkräften und 30 Kindern und Jugendlichen in der Jugendfeuerwehr. Seit kurzem bin ich auch stellv. Amtswehrführer. Über die letzen 10 Jahre versuche ich die Gerätehäuser zu digitalisieren. Es ist leider immer noch nicht alltäglich, dass alle mit schnellem Internet, Laptop und Beamer ausgestattet sind. In unserem Amt ist uns dies seit letztem Jahr gelungen. Nun geht’s in die nächste Phase. Die Träger des Brandschutzes müssen davon überzeugt werden, dass digitale Ausbildung auch Geld kostet und dieses Geld fester Bestandteil der Haushalte sein muss. Wenn wir Feuerwehren auf den Zug der Schuldigitalisierung mit aufspringen könnten, würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

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