14.000 THWler mit 2 Millionen Einsatzstunden

Tief „Bernd“: THW zieht im Katastrophenschutz alle Register

Bonn – Seit dem 14. Juli sind Helferinnen und Helfer der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) im Einsatz, um nach den großflächigen Zerstörungen durch den Starkregen im Juli 2021 technische Hilfe zu leisten. Vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen war beziehungsweise ist die Unterstützung von THW-Einheiten gefragt, aber auch in anderen Regionen Deutschlands gab es kleinere Einsätze. Alle Fachfähigkeiten des THW werden dabei benötigt, um den Bürgerinnen und Bürgern zum Beispiel mit sauberem Trinkwasser und Notstrom zu helfen oder die Infrastruktur mit Behelfsbrücken wiederaufzubauen.

 

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Das THW hat mit seinen bundesweit rund 80.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern eine wertvolle Ressource, die der betroffenen Bevölkerung nach dem Starkregen auf unterschiedlichste Weise hilft. 3.800 THW-Einsatzkräfte waren zu Spitzenzeiten im Einsatz, um vor allem Straßen von angeschwemmtem Schutt zu befreien, Behelfsbrücken zu bauen und die Trinkwasserversorgung der regionalen Bevölkerung zu sichern. Durch die breite Palette an Einsatzoptionen hat das THW viele Möglichkeiten, die es zur Schadensbekämpfung in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nutzt: Alle 25 Fachfähigkeiten waren in Einsätze eingebunden und zeigten, wie gut die Ausbildung der Helferinnen und Helfer ist.

Einsatzkräfte des THW beräumen mit der Bevölkerung die Straßen von Ahrweiler. Foto: THW/Alexander Mann

Von Anfang an im Einsatz

Bereits am Tag nach dem Starkregen waren 2.000 THW-Kräfte aus 133 Ortsverbänden in den Katastrophengebieten und leisteten effektive Hilfe. Zu Beginn war neben der Menschenrettung und Evakuierung die Kernkompetenz „Pumpen“ gefordert. An der Steinbachtalsperre drohte durch die großen Wassermassen ein Dammbruch. Das THW rückte mit zahlreichen Einheiten an. Mit Hochleistungsgeräten pumpten die THW-Einsatzkräfte in Zusammenarbeit mit der örtlichen Feuerwehr minütlich mehr als 110.000 Liter Wasser ab, damit der Druck auf die Talsperre geringer wurde. Am beschädigten Damm nutzten die THW-Einsatzkräfte das sogenannte Einsatzstellen-Sicherungssystem (ESS), um ihn zu überwachen und frühzeitig vor weiteren Gefahren zu warnen. Das System misst mit einem Laser dreidimensional und millimetergenau. Das ESS lässt sich zur Überwachung von einsturzgefährdeten Gebäuden und Trümmerstrukturen einsetzen. Außerdem erkennt es kleinste Bewegungen an Deichen oder Hanglagen, die mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar sind.

Zeitgleich waren andernorts THW-Kräfte im Einsatz, um die Schäden mit Erkundungstrupps zu erfassen, mit Fachberaterinnen und Fachberatern Führungsstrukturen zu unterstützen und bereits erteilte Einsatzaufträge zu erledigen. Um die Einsätze abzuarbeiten und die eigenen Einsatzkräfte zu führen, hat das THW an den jeweiligen Einsatzorten Führungsstellen betrieben. Führungsstellen hatten auch die Bereitstellungsräume, die das THW zum Beispiel am Nürburgring betrieb. 5.000 Einsatzkräfte von THW, Feuerwehr, anderen Hilfsorganisationen, Polizei und Bundeswehr fanden dort zeitweise Platz zum Schlafen, Essen und Ausruhen. Diese Zeltstädte, die innerhalb kürzester Zeit aufgebaut und mit Toiletten, mobiler Beleuchtung und Einsatzküchen ausgestattet werden, dienen als Versorgungsstelle für Personal sowie Material und bieten Raum für Reparaturen an Fahrzeugen. Das ermöglicht den Kräften, mehrere Tage lang, einsatzbereit zu bleiben und nicht immer in den Heimatsortsverband zurückkehren zu müssen.

Im Bereitstellungsraum können die Helferinnen und Helfer auf den nächsten Einsatz warten, sich ausruhen und haben auch Platz für ihre Einsatzfahrzeuge. Foto: THW

Arbeit gab es für die Ehrenamtlichen in den Katastrophengebieten nämlich genug: Nachdem das Wasser abgeflossen war, zeigte sich besonders im Landkreis Ahrweiler, wie großflächig die Infrastruktur zerstört war. Das galt nicht nur für Strom- und Wasserleitungen oder Brücken, sondern auch für Telekommunikationsnetze. Die Fluten hatten Sendemasten und Leitungen mit sich gerissen und dadurch ganze Landstriche von der Außenwelt abgeschnitten. Aus diesem Grund waren auch die Kommunikationskanäle der Einsatzkräfte unterbrochen oder eingeschränkt. Daher nutzten die THW-Helferinnen und -Helfer Satellitenkommunikation, um untereinander in Verbindung zu bleiben.

Verbindungen schaffen

Nach und nach bauten die ehrenamtlichen Einsatzkräfte die Infrastruktur behelfsmäßig wieder auf: unter anderem für Fahrzeuge sowie Fußgängerinnen und Fußgänger. Von insgesamt 112 Brücken im Ahrtal waren 53 ganz und vier teilzerstört worden. Dadurch war und ist das THW als einzige zivile Einsatzorganisation, die Brücken bauen kann, besonders gefragt. Die Auswahl an verschiedenen Behelfsbrückensystemen erlaubt es, flexibel auf regionale Gegebenheiten zu reagieren. So errichteten die 16 Fachgruppen Brückenbau des THW zum Beispiel Brücken vom Typ Bailey und vom Typ Krupp-D, die von Fußgängerinnen und Fußgängern, Fahrrädern und Fahrzeugen genutzt werden können sowie den Einsatzfahrzeugen die Arbeit erleichtern.

Die Spezialistinnen und Spezialisten der Fachgruppe Brückenbau bereiten ein Brückenteil vor, dass dann mit dem Kran eingehoben wird. Foto: THW/Michael Matthes

Die Einsatzkräfte der verschiedenen Fachgruppen Brückenbau arbeiten untereinander und auch mit den anderen THW-Einheiten reibungslos zusammen. Eine Besonderheit beim THW ist die Einheitlichkeit in der Wissensvermittlung: Alle Helferinnen und Helfer lernen dieselben Inhalte und werden an den gleichen technischen Geräten ausgebildet. Später erfolgt eine Spezialisierung in dem jeweiligen Fachgebiet. Das THW funktioniert auf diese Weise bundesweit wie ein großer Werkzeugkasten, der mit den verschiedenen Fachgruppen und Fähigkeiten für jede Schadenslage eine individuelle Lösung bietet.

Die Einsatzkräfte der 16 Fachgruppen Brückenbau, die das THW deutschlandweit vorhält, errichten individuelle Behelfsbrücken in den Katastrophengebieten. Foto: THW/Yann Walsdorf

In den zerstörten Regionen übernahmen auch die Fachgruppen Räumen wichtige Aufgaben bei der Notinstandsetzung der Infrastruktur. Mit ihren Baumaschinen – zum Einsatz kamen unter anderem Radlader, Bagger und Teleskoplader – räumten sie Treibgut aus den Flüssen, transportierten Schutt und Schlamm aus den Straßen, rissen einsturzgefährdete Gebäude ein, wenn Gefahr im Verzug war, oder stellten Straßen und Wege provisorisch wieder her. Zudem bereiteten die Baumaschinen die Flussufer für den Bau von Behelfsbücken vor. Ihre Beweglichkeit in unwegsamem Gelände ist einer der Vorteile der so genannten Einsatzrettungsspinne. Bundesweit verfügt das THW in den Fachgruppen Schwere Bergung über zwei dieser auch Schreitbagger genannten Geräte. In bewaldeten und bergigen Gebieten räumten die beiden Einsatzrettungsspinnen Trümmer und Baumstämme aus schmalen Bächen und unterstützten beim Verlegen neuer Strom- und Kommunikationsleitungen.

Trinkwasser für die Bevölkerung

Zu den lebenswichtigen Bedürfnissen der Menschen in den überfluteten Gebieten gehört auch die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Bereits am dritten Tag nach dem Starkregen baute das THW in Bad Neuenahr am Krankenhaus Maria Hilf eine Trinkwasseraufbereitungsanlage (TWA) auf. Mit dem sauberen Wasser versorgten die Einsatzkräfte nicht nur das Krankenhaus, sondern auch die Anwohnerinnen und Anwohner. Weitere TWA betrieb das THW in den folgenden Wochen entlang der Ahr. Pro Stunde kann eine dieser Anlagen bis zu 15.000 Liter Wasser aufbereiten. Neben der Trinkwasseraufbereitung unterstützte das THW die regionalen Versorgungsunternehmen dabei, die Wasserversorgung wiederherzustellen. Dafür orteten Expertinnen und Experten des THW Leckagen in Rohrleitungen und reparierten diese anschließend. Dort, wo eine Reparatur nicht mehr möglich war, installierten die THW-Kräfte neue Leitungen. Sobald das Rohrsystem wieder nutzbar war, leitete das THW zudem Trinkwasser in das Leitungsnetz ein. In Regionen, wo der Wiederaufbau noch nicht so weit vorangeschritten war, verteilte das THW zudem Trinkwasser aus Tankfahrzeugen.

In der Phase der Notversorgung war neben der Elektroversorgung auch die Aufbereitung von Trinkwasser von höchster Priorität. Foto: THW/Steffen Assenmacher

Auch mehrere THW-Unterkünfte und Einsatzfahrzeuge blieben von dem Hochwasser nicht verschont. Die Helferinnen und Helfer des THW-Ortsverbands Ahrweiler zum Beispiel waren selbst im Einsatz, um Sandsäcke für betroffene Orte zu füllen sowie Stützmauern an einer abgestürzten Autobahn zu bauen. Dann mussten sie plötzlich ihre eigene Liegenschaft evakuieren, damit alle rechtzeitig dem Wasser entkamen. „Wir hatten das Problem, dass der Weg durch ein Tor eines gegenüberliegenden Grundstücks versperrt war. Unser Zugführer hat sich dann einen Lkw geschnappt und das Tor aufgestoßen“, berichtete eine Helferin des Ortsverbandes. Durch den tagelangen Einsatz nach dem Unwetter und den gemeinsamen Erfahrungen ist der Zusammenhalt der Ehrenamtlichen in diesem Ortsverband noch enger geworden. „Wenn man solche Einsätze zusammen erlebt und vor allem auch so lange im Einsatz ist, verändert das den Zusammenhalt nochmal. Alle sind füreinander da. Das war definitiv eine positive Veränderung“, schildert die Ehrenamtliche ihre Erlebnisse.

Direkt in der Nacht des Starkregenereignisses begannen die THW-Einsatzkräfte schon mit der Schadensbekämpfung. Foto: THW/Yann Walsdorf

Bereits zwei Millionen Einsatzstunden

Mehr als 14.000 THW-Helferinnen und -Helfer waren innerhalb der ersten 9 Wochen im Katastrophengebiet im Einsatz und leisteten in dieser Zeit mehr als 2 Millionen Einsatzstunden. Weil so ein Einsatz physisch und psychisch belastend ist, war schnell das Einsatznachsorgeteam (ENT) des THW vor Ort, um den Helferinnen und Helfern bei der Verarbeitung von belastenden Eindrücken zu helfen. Das weitreichende Bild der Zerstörung und das Trauma der Betroffenen in den Schadensgebieten können die Einsatzkräfte auch verfolgen, wenn sie schon wieder zu Hause sind. Aber auch hier zeigte sich die Effektivität der Ausbildung. Das frühe Erkennen von Symptomen nach einem belastenden Einsatz und der Umgang damit sind Teil der Grundausbildung beim THW. „Prävention ist ganz wichtig und wir haben gemerkt, dass die Arbeit jetzt wirkt, die wir vorher geleistet haben. Deshalb waren wir im Bereitstellungsraum unterwegs, um für alle ein offenes Ohr zu haben, wenn jemand etwas loswerden wollte“, erklärte ein Mitglied des ENT und betonte, dass es wichtig sei, die psychosoziale Nachsorge für die Ehrenamtlichen anzubieten, um ihnen den Rücken zu stärken.

Text: Technisches Hilfwerk (THW)

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Feuerwehr-Magazin 10/2021

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Danke an alle!!! Helfer.. Schön wäre wenn auch die oft sehr gute- und effiziente Hilfe der zivilen Firmen, Landwirten, Unternehmern und andere Mitmenschen von Politik und Medien ausreichend gewürdigt würden und ggf, Synergieeffekte und Möglichkeiten für die Zukunft ausgewertet und genutzt (nicht ausgenutzt!!) würden.
    Traurig zu sehen dass von den öffentlichen Händen Hilfsgüter über Zollauktion und VEBEG zu Geld gemacht wurden (und immer noch werden!!) anstatt diese den Krisengebieten unbürokratisch zur Verfügung zu Stellen!!

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