Nach dem Warntag-Fiasko

rbb24 meldet: BBK-Präsident Unger muss gehen

Berlin – Der erste bundesweite Warntag am 10. September 2020 war ein Fiasko. In weiten Teilen der Republik blieben die Sirenen stumm, die Warn-Apps lösten nicht aus. Der Fehlschlag wird weitreichende Konsequenzen haben. Wie rbb-Inforadio berichtet, plant Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Abberufung des Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Christoph Unger.  

Seit September 2004 steht Christoph Unger an der Spitze des BBK. Nach dem Fehlschlag beim bundesweiten Warntag in der vergangenen Woche soll er jetzt wohl abgelöst werden, heißt es aus Berlin. Foto: Jan-Erik Hegemann

Das BBK wurde am 1. Mai 2004 gegründet. Die Bundesoberbehörde ist in Bonn angesiedelt. Seit September 2004 steht Christoph Unger an der Spitze des BBK. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte den gebürtigen Braunschweiger Unger zum Präsidenten ernannt. Er ist es bis heute.

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In der Sendung Inforadio des rbb wurde heute um 13 Uhr berichtet, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer die Ablösung von Christoph Unger beschlossen habe. Eine Bestätigung durch das Bundesinnenministerium steht derzeit noch aus. Die offizielle Anfrage des Feuerwehr-Magazins an das BKK wurde nicht beantwortet. Es hieß, wir sollen uns an die Pressestelle des Bundesinnenministeriums wenden. Vielsagend: Innen-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) antwortet am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestages auf die Frage, ob Unger noch Chef der Behörde sei, er wolle sich in diesem Kreis jetzt nicht zu Personalangelegenheiten äußern. Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr dann aus der Unionsfraktion von der bevorstehenden Ablösung, heißt es in Berlin. 

Fakt ist: Das Bundesinnenministerium bezeichnete den bundesweiten Probealarm offen als Fehlschlag. Wäre es ein Ernstfall gewesen, hätten viele Bürger in Deutschland davon nichts mitbekommen. Die Vorgänge sollen umfassend aufgearbeitet werden. Christoph Unger wird dabei aller Voraussicht nach nicht mehr mitwirken.

>>>Hier geht es direkt zum Beitrag von rbb24.<<<

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ganz neutral und global: Jedes Mobilfunknetz kann zusammenbrechen und ist auch schon zusammengebrochen. Etwas mehr oder etwas weniger. Nur mal DREI Fehlerquellen: Funknetz, Stromversorgung oder IT-Probleme. So gibt es dann eben im Störfall keine Alarmierung, wenn alle Sirenen abgebaut werden. Darum haben viele Länder weiterhin die Sirenen in Betrieb. Wir hatten letztes Jahr die Warnapplikation “FF-Agent” auf Smartphone bekommen und auch schon eine mehrwöchige IT-Störung, die das ganze System flach legte!!! Zum Glück haben wir noch unsere Sirenen und benötigten keine Rauchzeichen 🙂

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  2. Chef des Bundesamtes ist schuld? Nein die Probleme im Bereich der Warnung der Bevölkerung liegen auf anderen Ebenen. Der Bund, ich setze voraus, dass die hier kommentierenden den Unterschied kennen, ist für den Zvilschutz, also den Schutz der Bevölkerung im Vereidigungsfall zuständig. Der Katastrophenschutz ist Sache der Länder. Diese tragen also einen Großteil der Verantwortung, dass die ehemals vorhandenen Sirenen nicht mehr flächendeckend existieren. Wenn dann die persönliche Eitelkeit einiger dazu kommt und Warnungen mehrfach ausgelöst werden, obwohl die Absprache vorsah, dass das BBK auslöst, kann dies nur zum Desaster führen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wäre in der Lage erheblich mehr zu koordinieren als, zumindest teilweise, zulassen wollen. Wenn aber die Verantwortung bei den Ländern liegt müsste sich jetzt in den zuständigen Ministerien gefagt werden, “was ist schiefgelaufen?” Die Ablösung eines, von den Hilfsorganisationen, den Feuerwehren und der Bundesanstalt THW, anerkannten Gesprächspartners ist entweder ein Bauernopfer oder, was viel gravierender wäre, ein Politikum. Bereits während der “Hochphase” der Pandemie bot das BBK Unterstützung an, was aber von einigen Bundesländern nicht oder nur unzureichend in Anspruch genommen wurde. Wozu ist denn das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) aufgebaut worden? Im, seit einigen Jahren 24-stündigen Dienst, werden hier die Informationen gesammelt und aufbereitet, genutzt werden sie dann aber kaum. Erst die Vorgänge aufarbeiten, auf allen Ebenen, dann entscheiden. Purer Aktionismus bringt nicht eine einzige Sirene zurück.

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  3. Früher gab es flächendecken die Warnämter, diese unterstanden dem Bundesamt für Zivilschutz und fielen wie der gesamte Zivilschutz in den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Sie waren untere Bundesbehörden. Mitte der 1990er Jahre wurden die Warnämter aufgelöst. Zunächst hielt man Einrichtungen für die Warnung der Bevölkerung größtenteils für verzichtbar. Bund und Länder hatten sich im Jahr 1992 geeinigt, die Bevölkerung nicht mehr mit Sirenen, sondern per Rundfunk zu warnen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland fast 100.000 Sirenen. Diese wurden zum Teil abgebaut, zum Teil wurden sie von den Gemeinden übernommen, die diese z. B. zur Alarmierung von Freiwilligen Feuerwehren nutzen. Da die Feuerwehren auf die Alarmierung per Funkempfänger umstellten wurden größtenteils die noch vorhandenen Sirenen abgebaut.
    Herr Unger muss nun den Kopf hinhalten für die Kosteneinsparungen und die Unfähigkeit des Ministerium für Inneres, ein Bauernopfer.

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  4. Naja wenn man sich so manche Interviewäußerung anschaut, ist eine Neubesetzung des Amtes vielleicht auch nicht ganz verkehrt. So äußerte sich Herr Unger in einem Spiegel-Interview, dass Cell-Broadcasting, wie es in den Niederlanden und anderen Teilen der Welt erfolgreich eingesetzt wird, auf Grund von Kapazitätsproblemen im Mobilfunknetz “wie man etwa an Silvester [sehe]”, nicht infrage käme.

    Das ist technisch natürlich völliger Blödsinn und so wurde daraufhin das von mir zitierte Spiegelinterview entsprechend korrigiert.:
    > *Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, der Bund habe wegen vermeintlicher Kapazitätsprobleme der Mobilfunknetze und aus Datenschutzgründen Abstand von einem Cell-Broadcast-System genommen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat diese Antwort nachträglich korrigiert.

    Das die Ursachen des Pannen-Warntags nicht allein bei Herr Unger liegen, ist unumstritten und sicherlich auch die Folge einer Politik, die erst viel zu spät die Notwendigkeit eines guten bundesweiten Bevölkerungschutzes erkannt hat. Allerdings trägt dieser, insbesondere als Behördenchef, in meinen Augen die volle Verantwortung für das Versagen des Warntages.

    Spiegelinterview: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/warntag-zum-zivil-und-katastrophenschutz-wir-haben-eine-sehr-unvorbereitete-bevoelkerung-a-1def33a4-a1aa-467e-ac24-7aa56715530d

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  5. Wer war denn verantwortlich für die Auflösung der Warnämter in den 1990ern? Wer singt denn immer das Hohelied des Föderalismus? Wer greift denn den Kommunen immer tiefer in die Tasche so dass sich die Gemeinden keine Warneinrichtungen leisten können?

    Und dafür soll jetzt ein Behördenchef gehen? Die Verantwortlichen für den desolaten Zustand des Warnwesens sitzen doch wohl etwas höher in Berlin.

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  6. Vieleicht sollte man das Warn- und Alamierungssystem von Österreich anschauen, dort findet jeden 1.Samstag im Oktober ein Zivilschutz Probealarm schon seit mehreren Jahren statt. Die Erfolgsquote liegt bei über 99 Prozent!
    Die Alamierung erfolgt über Digitalfunk und Lautsprechersirenen, was auch bei
    kompletten Stromausfall funktioniert!

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