Abschleppwagen auf Mercedes Econic

Abschlepper im ganz großen Stil

Wiener Neudorf (Österreich) – Die Freiwillige Feuerwehr Wiener Neudorf konnte Ende September 2020 ein neues, speziell auf ihre Bedürfnisse angepasstes Abschleppfahrzeug auf Basis eines Mercedes Econic in den Dienst stellen. Und das hat es wirklich in sich.

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Das Abschleppfahrzeug – kurz ASP – ist ein fester Bestandteil im Technischen Zug, welcher zu allen Fahrzeugbergungen nach Verkehrsunfällen im Wiener Neudorfer Einsatzgebiet ausrückt. Er besteht aus dem Vorausfahrzeug, dem schweren Rüstfahrzeug und dem Abschleppfahrzeug und wird im Bedarfsfall auch durch das Wechselladerfahrzeug ergänzt. Beim Neufahrzeug handelt es sich um den Austausch des 18 Jahre alten Abschleppfahrzeuges (Mercedes Atego 1323). Besonders immer größere und schwerere Unfallfahrzeuge (SUV und Kleintransporter) sorgten wiederholt für Herausforderungen in Punkto Hubkraft und Überhang am Plateau beim vorhandenen Abschleppfahrzeug.

Durchdachte Ausstattung mit modernster Technik

Der neue dreiachsige automatikgetriebene Mercedes Econic 2635 L wird von einem Sechszylinder-Dieselmotor mit einer Leistung von 354 PS angetrieben und entspricht der Abgasnorm Euro 6. Neben einem weit stärkeren und größeren Kran sowie einem längeren Berge-Plateau im Vergleich zum alten Abschleppfahrzeug bietet die großzügige Fahrzeugkabine Platz für eine Besatzung von vier Mann (1/3). Mit der mitlenkenden Nachlaufachse sowie dem gewählten Radstand vereint das 260 kW starke Econic-Fahrgestell eine kompakte Wendigkeit sowie ein hohes Transportvermögen mit einer Nutzlast von rund 10 Tonnen. Wesentliche Sicherheitsaspekte sind das Totwinkel-Kamerasystem, der Abbiege-Assistent sowie der Spurhalteassistent. Insbesondere die niedrige Bauhöhe, das serienmäßige Automatikgetriebe sowie die gute Sicht durch die große Panoramaverglasung zählten zu den Hauptargumenten bei der Wahl des Fahrgestells.

Für Berge-Einsätze nach Verkehrsunfällen ist das neue Fahrzeug mit einem speziellen Ladekran mit 19,5 m/t Hubmoment aus dem Hause Palfinger ausgestattet. Der neue Kran ist ein T-Spezialmodell (PK19500T-EH High Performance) und ist der größte seiner Baureihe. Das T-Modell ist speziell für die vielseitigen Anforderungen bei Fahrzeugbergungen entwickelt worden. Er überzeugt durch Detaillösungen wie etwa der seitlich angeordneten Ausschubzylinder, die eine geringe Gesamthöhe des Fahrzeuges bei gestrecktem Hauptarm garantieren. Die handliche Funkfernsteuerung des Krans ermöglicht einen optimalen Einblick auf das Plateau und den gesamten Ladebereich während des Einsatzes. Der neue Kran kombiniert mit dem mitgeführten Leichtaluminium-Hebebalken ergibt eine perfekt abgestimmte Kombination für sämtliche Bergungen aller Fahrzeugarten. Eine Abstützbreite von 6,6 Metern sorgt dabei für optimale Stabilität und Abstützung.

“Dürfen die das?”

Im Nachgang zu unserem Bericht über das Abschleppfahrzeug der FF Wiener Neudorf gab es einige Fragen vor allem auf Facebook, ob denn die Feuerwehren überhaupt abschleppen dürften? Vorwürfe wurden laut, dass die Ehrenamtlichen ja den Abschleppunternehmen die Arbeit wegnähmen. Auf diese Anmerkungen gibt Michael Biegler von der Pressestelle der FF Wiener Neudorf Auskunft.

“Aufgrund der Straßenverkehrsordnung (§ 89a) sind die Feuerwehren in Österreich berechtigt, Fahrzeuge oder Gegenstände insbesondere bei unaufschiebbaren Verkehrsbeschränkungen zu entfernen oder Amtshilfe für die Polizei in solchen Fällen zu leisten.

Aus diesem Grund verfügen zahlreiche Feuerwehren über Sonderfahrzeuge (Abschleppfahrzeuge oder Wechselladerfahrzeuge mit Abschlepp-Plateaus) für diesen Zweck. Da die Freiwillige Feuerwehr Wiener Neudorf neben dem Ortsgebiet auch zahlreiche hochrangige Straßen und Autobahnen betreut, hat sich der Ankauf eines Abschleppfahrzeugs seit Jahren bereits bestens bewährt. Wie gesetzlich geregelt, werden die Hindernisse nur von der Straße entfernt, ein Abschleppen in eine Werkstatt oder dergleichen erfolgt nicht. Die Unfallfahrzeuge werden an einer durch die Polizei bezeichnete Stelle abgestellt.”

Straßenverkehrsordnung 1960, Fassung vom 15.10.2020

§ 89a. Entfernung von Hindernissen.

(3) Im Falle der Unaufschiebbarkeit sind auch die Organe der Straßenaufsicht, des Straßenerhalters, der Feuerwehr oder eines Kraftfahrlinien- oder Eisenbahnunternehmens berechtigt, unter den im Abs. 2 genannten Voraussetzungen die dort bezeichneten Gegenstände zu entfernen oder entfernen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für unaufschiebbare Verkehrsbeschränkungen nach § 44b Abs. 1.

Sorgfältige Planung mit spezieller Erfahrung

Durch langjährige Erfahrung konnte das Planungsteam der FF Wiener Neudorf ein Gesamtkonzept definieren, bei dem zahlreiche Wünsche aus der Praxis berücksichtigt wurden. Der Spezialaufbau wurde durch die Firma Eberl Abschlepptechnik aus Salzburg realisiert. Mit viel Know-How wurde der maßgeschneiderte Aufbau in perfekter Zusammenarbeit mit dem Planungsteam der FF Wiener Neudorf gefertigt.

Das Neufahrzeug verfügt über ein funkferngesteuertes Berge-Plateau und Abschlepp-Hubbrille am Heck des Fahrzeuges, welche es ermöglichen, zwei Unfallfahrzeuge von der Einsatzstelle abzutransportieren. Ebenso funkferngesteuert befinden sich am Fahrzeugaufbau zwei Seilwinden (Plateau und Heck) zur Bergung von Unfallautos. Diese Seilwinden verfügen über eine Zugkraft von 3,5 und 6 Tonnen. Neben dem Plateau ermöglicht auch die massive Abschleppbrille am Heck des Fahrzeuges die Bergung vom Kleinwagen bis hin zum Klein-Lkw.

Die neun Geräteräume sind mit massiven Alu-Rollläden staub- und wasserdicht abgeschlossen sowie mit großen Ausziehladen für Spezialwerkzeug und Ausrüstungsgegenstände wie Anschlagmittel, Gleitkeile, Rangierroller, Ölbindemittel, Wagenheber und ähnlichem ausgestattet. Besonders bedacht und abgestimmt wurde die Beladung für die Bergung von Elektrofahrzeugen, allradgetriebenen Unfallfahrzeugen sowie schwergewichtige SUV und Transportfahrzeuge.

Zur vielseitigen Bergeausrüstung zählen neben einer Drucklufthaspel ebenso auch spezielle Haltebaken für die Bergung von zweirädrigen Kraftfahrzeugen (Motorrad, Moped) am Plateau. Auch für eine zweifache Transportmöglichkeit nach Verkehrsunfällen speziell für Anhänger sind jeweils auf dem Plateau und der Hubbrille zwei Anhängerkupplungen verbaut. Ein besonderes Merkmal des Plateau-Aufbaus ist, dass dieser vollkommen abdichtend für ausgeflossene Betriebsmittel von Unfallfahrzeugen gebaut wurde und die Betriebsmittel umweltbewusst mit einem separaten Ablassventil abgelassen beziehungsweise aufgefangen werden können.

Neben den umfangreichen Blaulichtelementen am kompletten Fahrzeug sorgen ein durchdachtes LED-Beleuchtungskonzept mit 19 Scheinwerfern, ein intelligentes Videokamerasystem und eine am Plateau integrierte Verkehrsleiteinrichtung für maximale Sicherheit der Besatzung während des Einsatzes. Die Gesamtkosten des neuen Fahrzeuges wurden durch die Marktgemeinde Wiener Neudorf sowie durch die Freiwillige Feuerwehr Wiener Neudorf selbst getragen.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo Gunthard,
    zu Punkt 1: Bei der Feuerwehr darf kein Maschinist ein Fahrzeug führen, auf das er nicht geschult ist.
    zu Punkt 2: Jede Feuerwehr ist über seinen Träger, also die Stadt oder Gemeinde versichert.
    Schöne Grüße aus der Feuerwehr-Magazin-Redaktion
    Sven

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  2. Trotzdem wirft das rechtliche Fragen auf, wenn zum Beispiel die Feuerwehr ein Fahrzeug abschleppt, welches kein Totalschaden ist, dann aber beim Abschleppvorgang das Automatikgetriebe beschädigt. Ein Abschleppwagenfahrer ist hierfür entsprechend geschult, das Unternehmen dafür auch Haftpflichtversichert, doch wie ist das bei der Feuerwehr?

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  3. Da hast Du natürlich recht, zweirädrig war gemeint. Danke für den Hinweis.

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  4. Motorräder gehören zu den einspurigen Fahrzeugen (im Bericht steht zweispurig, sollte wahrscheinlich zweirädrig heißen). Ansonsten ein echt schöner Bericht und ein sehr interessantes Fahrzeug.

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