Die große DFV-Krise - Teil 1

Wahl eines neuen Präsidenten

Berlin – Am 27. Februar 2021 wählt die 67. Delegiertenversammlung des Deutschen Feuerwehrverbandes einen neuen Präsidenten. Viele im Verband hoffen, dass damit dann auch die größte Krise in der Geschichte des DFV endet. In einer kleinen Serie blicken wir in dieser Woche zurück auf die Ereignisse, die zum Rücktritt des Amtsinhabers Hartmut Ziebs geführt hatten. Und wir werfen einen Blick auf die kommenden Tage. Teil 1: Der Versuch einer Chronologie.


12. November 2019

Es war ein Paukenschlag und der Auftakt einer nie dagewesenen Schlammschlacht im Deutschen Feuerwehrverband (DFV). In einem Brief an die Vorsitzenden und Präsidenten der Landesfeuerwehrverbände informierten fünf der sieben Vizepräsidenten des DFV, dass sie Hartmut Ziebs das Vertrauen entzogen hätten. In einer Sondersitzung des Präsidiums in Fulda sei dem Präsidenten am 10. November 2019 der Rücktritt nahegelegt worden, hieß es weiter. Ziebs habe eine erbetene Bedenkzeit ohne Reaktion verstreichen lassen. Daraufhin informierten Hermann Schreck, Lars Oschmann, Frank Hachemer, Dr. Christoph Weltecke und Christian Patzelt die Verbandsspitzen in den Ländern.

Anzeige

Mit der Bitte, sich der Angelegenheit anzunehmen und zur Klärung beizutragen, erhielt auch die Redaktion des Feuerwehr-Magazins das Schreiben – fast zeitgleich aus drei Landesfeuerwehrverbänden am 12. November 2019. Wir hielten das Schreiben anfangs für eine Fälschung. Doch Nachfragen beim Präsidenten und seinen Vizepräsidenten bestätigten den Sachverhalt.

Bis heute verstehen viele Feuerwehrleute nicht, warum die Vizepräsidenten so gehandelt haben. Angeblich gibt es nicht die „eine“ schwerwiegende Verfehlung, die dem Präsidenten vorgeworfen wird. Eine ganze Reihe von nicht eingehaltenen Zusagen, Untätigkeit, nicht abgesprochene Verträge, Ungereimtheiten bei der Besetzung der Stelle der Bundesgeschäftsführerin, eine Unzufriedenheit der Beschäftigten in der Bundesgeschäftsstelle und eine unzulängliche Planung der Interschutz-Aktivitäten hätten eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich gemacht, hieß es auf unsere Nachfrage.

Vizepräsident Frank Hachemer hat www.franksseite.de eingerichtet. Dort schildert er seine Sicht der Dinge auf die Vorgänge im November 2019. Und Hachemer geht auch auf die Gründe für die Rücktrittsforderung ein.   

Doch zurück. Noch am Nachmittag des 12. November 2019 gab sich Ziebs kämpferisch. „Ich kann keinen Grund zum Rücktritt erkennen”, sagte der Präsident. Erst 14 Tage zuvor habe ihn die Delegiertenversammlung vollständig entlastet. Zudem berichtete er kurz darauf öffentlich, dass seine Mutter verstorben war. Den fünf Vizepräsidenten wurde daraufhin Pietätlosigkeit vorgeworfen.

Deutscher Feuerwehrverband
DFV-Präsident Hartmut Ziebs im Interview. Foto: Jan-Erik Hegemann

Gegenüber dem Nachrichtenportal „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ äußerte Ziebs die Vermutung, dass seine klare Haltung und Abgrenzung gegenüber der AfD Grund für die Rücktrittsforderung sei. Und auch die Einstellung eine Bundesgeschäftsführerin mit Migrationshintergrund sei nicht gut angekommen. Daraufhin griffen immer mehr Medien in Deutschland das Thema auf.

Fakt ist: Einige Monate zuvor hatte der DFV-Präsident ein Interview mit der „Lausitzer Rundschau“ geführt. Diese zitierte ihn am 3. September 2019 wie folgt: „Die teilweise rechtsnationalen Tendenzen bei der AfD sind eine Gefahr für die Demokratie. Es wäre dramatisch, wenn die Feuerwehr da reinrutscht.“

13. November 2019

Am 13. November gaben die fünf beteiligten DFV-Vizepräsidenten eine Erklärung ab: „alle Unterzeichner [positionieren] sich ganz klar und eindeutig gegen Rassismus, Intoleranz, Diskriminierung sowie Fremdenhass und Rechtsradikalismus sowie Parteien dieses Spektrums.“ Damit seien sie in diesem Punkt mit Präsident Ziebs „ohne Wenn und Aber einer Meinung.“

In den darauffolgenden Wochen ging es hin und her. Die Landesfeuerwehrverbände Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt standen zu Ziebs. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, Bremen und Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Saarland, Berlin, Brandenburg und Bayern unterstützten die Vizepräsidenten. Der Graben wurde tiefer und tiefer. Der Verband der Feuerwehren (VdF) Nordrhein-Westfalen richtete die Facebookseite „Hartmut – mein Präsident“ ein. Es schien, die breite Masse der Feuerwehrleute unterstütze mehrheitlich „ihren“ Präsidenten. Der VdF berichtete im Internet auch jeweils sehr schnell und umfassend über die aktuelle Lage. 

6. Dezember 2019

Bis Anfang Dezember 2019 tobte eine regelrechte Schlammschlacht. Vorwürfe des einen Lagers wurden prompt durch die Gegenseite beantwortet. Mutmaßungen machten die Runde, Beschuldigungen. Unschöne Szenen. Und das Ansehen der Feuerwehren litt zunehmend. In einer Präsidialratssitzung in Braunschweig am 6. Dezember 2019 einigten sich die Beteiligten, am 4. April 2020 in Erfurt eine ordentliche Delegiertenversammlung abzuhalten, um das Präsidentenamt neu zu besetzen. Hartmut Ziebs kündigte an, zu dieser Wahl nicht wieder anzutreten. Der Beschluss sei einstimmig gewesen, hieß es. Auch von Ziebs.

Der Präsidialrat des DFV fand im Dezember 2019 eine für alle Seiten akzeptable Lösung um den Streit an der Spitze des Verbandes. DFV-Präsident Hartmut Ziebs ist demnach nur noch bis April 2020 Präsident. Er tritt dann zur Neuwahl nicht mehr an. Doch der Verband der VdF NRW äußerte massive Rechtsbedenken an diesem Verfahren. Und so kam es letztlich anders. Foto: Hegemann

Doch schon wenige Minuten später meldete sich der VdF NRW: Von Einstimmigkeit könne keine Rede sein. Die verkündete Lösung mit der Neuwahl des Präsidenten am 4. April 2020 sei in der beschriebenen Form nicht satzungskonform. Der Präsident sei bis 2021 gewählt und ohne Rücktritt dann noch im Amt. Diese Erklärung des VdF NRW wiederum wollten 14 Landesfeuerwehrverbände so nicht stehen lassen und veröffentlichten am 10. Dezember 2019 einen offenen Brief. Die Antwort darauf aus Nordrhein-Westfalen ließ nicht lange auf sich warten. Nur noch Insider verstanden die Inhalte.

14. Dezember 2019

Am 14. Dezember erklärte Hartmut Ziebs seinen Rücktritt als DFV-Präsident zum 31. Dezember 2019. Und so kam es auch. Nach der Satzung leitet ein vom Präsidenten benannter Vizepräsident als Vertreter des Präsidenten den Verband, wenn dieser die Amtsgeschäfte nicht ausüben kann. Ziebs hatte mit der Aufgabe des ständigen Vertreters seinen Vize Hermann Schreck beauftragt. Seit dem 1. Januar 2020 fungiert Schreck damit also als eine Art „amtierender“ Präsident des DFV. Er vertritt seitdem den Verband gemeinsam mit einem weiteren Vizepräsidenten gerichtlich und außergerichtlich.

Nach dem Rücktritt von DFV-Präsident Hartmut Ziebs führt der von ihm zu seinem ständigen Vertreter ernannte Vizepräsident Hermann Schreck übergangsweise den Verband. Foto: K. Neuhauser

Januar 2020

Die Pläne für eine außergewöhnliche Delegiertenversammlung am 4. April 2020 wurden im Januar 2020 aufgegeben. Es gab starke Rechtsbedenken gegen den Termin – weder Bewerber noch Vorschläge für das Präsidentenamt. Also wurde beschlossen, auf der nächsten ordentlichen Delegiertenversammlung im Juni in Hannover einen neuen Präsidenten zu wählen.

Für den 20. Juni war zu einer entsprechenden Delegiertenversammlung eingeladen worden. Die Vorschlagsfrist endete am 27. März. Im Gegensatz zu vielen anderen Wahlen können sich Bewerber auf das Amt des DFV-Präsidenten nicht selbst ins Spiel bringen und ihre Kandidatur erklären. Sie müssen innerhalb gewisser Fristen von einem der ordentlichen Mitglieder (die Landesfeuerwehrverbände, der Landesbereich Freiwillige Feuerwehr Hamburg, der Verband der Feuerwehren in NRW, der Thüringer Feuerwehr-Verband sowie die beiden Bundesgruppen Berufsfeuerwehr und Werkfeuerwehr) dem Präsidenten oder dem Präsidium schriftlich vorgeschlagen werden.

Der stellvertretende Bundesgeschäftsführer des DFV, Rudolf Römer, bestätigte, dass fristgerecht zwei Kandidaten vorgeschlagen wurden. Die Landesfeuerwehrverbände Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpom­mern, Niedersachsen und Hamburg haben Karl-Heinz Banse, den Präsidenten des LFV Niedersachsen, benannt. Der LFV Brandenburg reichte Frank Kliem als Vorschlag ein. Kliem fungiert als Vizepräsident im LFV Brandenburg.

März 2020

Doch Mitte März sagte der DFV wegen der Corona-Pandemie den Deutschen Feuerwehrtag samt Delegiertenversammlung in Hannover ab. Als neuer Wahltermin wurde der 24. Oktober 2020 in Fulda festgelegt. Durch die Absage des Deutschen Feuerwehrtages vor Ablauf der Vorschlagsfrist musste es auch zu einem neuen Vorschlagsverfahren kommen. „Sobald der Termin feststeht, wird das Wahlverfahren erneut in Gang gesetzt, um rechtssicher zu sein“, bestätigte Römer dem Feuerwehr-Magazin.

Dr. Karsten Homrighausen möchte dafür sorgen, dass die Feuerwehr auf Ebene des Bundesverbandes wieder ein stärkeres Gewicht im politischen Berlin bekommt. (Bild: Hegemann)

August 2020

Kliem und Banse hielten an ihrer Kandidatur fest. Mit Dr. Karsten Homrighausen, dem Berliner Landesbranddirektor und Leiter der Feuerwehr der Bundeshauptstadt, kam noch ein dritter Kandidat hinzu. Am 19. August 2020 berichtete feuerwehrmagazin.de als erstes Medium bundesweit von der Kandidatur. Der Landesfeuerwehrverband Sachsen-Anhalt hatte Dr. Homrighausen fristgerecht vorgeschlagen.

Bei den Nachrichten, die es um den Deutschen Feuerwehrverband im Sommer gab, überraschte die Kandidatur von Dr. Homrighausen schon etwas. Anfang August 2020 war bekannt geworden, dass die Bundesgeschäftsführerin des DFV, Dr. Müjgan Percin, vor Gericht wegen Diskriminierung und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gegen ihren Arbeitgeber klagte.

Oktober 2020

Am 15. Oktober 2020 sagte der DFV die 67. Delegiertenversammlung in Fulda ab. Eine Präsenzveranstaltung mit 172 Delegierten, Beobachtern, Mitarbeitern, Zuschauern und Journalisten war angesichts der Entwicklung der Zahl der Corona-Infizierten nicht zu rechtfertigen. „Das Risiko wäre einfach zu hoch“, heißt es aus Berlin. Der Präsidialrat des Deutschen Feuerwehrverbandes als höchstes Verbandsgremium hat deshalb mehrheitlich beschlossen, die Wahlveranstaltung abzusagen. „Die Inzidenzwerte steigen in zahlreichen Kommunen und Kreisen in die Höhe. Auch muss die Feuerwehr Vorbild sein“, erklärte Römer.

Als neuer Termin war dann der 19. Dezember 2020 angedacht. Eine virtuelle Veranstaltung sollte das Vakuum an der Spitze des Verbandes beenden. Noch immer führt Hermann Schreck als „ständiger Vertreter des Präsidenten“ den DFV. Doch auch dieser Termin ließ sich nicht halten.

Februar 2021

Die 67. Delegiertenversammlung des Verbands soll nun am 27. Februar 2021 als digitale Sitzung stattfinden: So lautet der Beschluss der ordentlichen Mitglieder. Aufgrund der Verschiebung musste das Wahlverfahren erneut eröffnet werden. Es blieb aber bei den drei Bewerbern Frank Kliem (Brandenburg), Karl-Heinz Banse (Niedersachsen) und Dr. Karsten Homrighausen (Berlin).

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Es ist eine Schande dass diese Person gewählt wurde hoffentlich treten Feuerwehren aus diesem Verband aus Es geht nicht 2 Verbände zuführen man kann nur einen Verband führen und dienen alles andere ist nicht tragbar für uns Feuerwehrkameradin und Feuerwehr Kameraden

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Wolfgang Seidel

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert