Feuerwehr: Schiebleiter nach wie vor unverzichtbar

Lippstadt – Müssen die erstausrückenden Feuerwehrfahrzeuge heute überhaupt noch eine dreiteilige Schiebleiter nach DIN 14715 mitführen? Diese Frage sorgt immer wieder für kontroverse Diskussionen in Feuerwehrkreisen. Christian Meyer von der Feuerwehr Lippstadt liefert einige wichtige Argumente.

Einsatz der dreiteiligen Schiebleiter vom Hof der Feuerwache Nord auf die Dachfläche. Beim ersten Versuch am Vormittag durch eines der Fenster im Obergeschoss hat es zwei Paneele der Deckenverkleidung erwischt. Wo gehobelt wird… Foto: Scheer
Einsatz der dreiteiligen Schiebleiter bei der Feuerwehr-Ausbildung. Foto: Scheer

Die Kritiker der dreiteiligen Schiebleiter weisen oft auf die geringe Verwendung im Einsatzfall hin. Auch die personalintensive Vornahme wird gerne als Contra-Argument angeführt. Dabei ist immer wieder zu hören: “Wir haben doch eine Drehleiter bei uns im Fuhrpark.” Doch Vorsicht, das Baurecht legt in erster Linie die Maßstäbe fest, welche “Rettungsgeräte” von einer Feuerwehr vorzuhalten sind.

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So sah beispielsweise die Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 1984 die Sicherstellung des zweiten Rettungsweges aus Gebäuden unter anderem mit der dreiteiligen Schiebleiter vor. Damals war es möglich, Gebäude mit bis zu fünf Vollgeschossen (Erdgeschoss plus 4) zu errichten, deren zweiter Rettungsweg über tragbare Leitern der Feuerwehr sichergestellt wurde. Aufgrund dieser Tatsache waren bei diesen Objekten auch keine Aufstellflächen für Kraftfahrdrehleitern im Baugenehmigungsverfahren gefordert, auf denen ein Hubrettungsfahrzeug in Stellung gebracht werden könnte. Diese Gebäude sind heute nach wie vor in vielen Ausrückebereichen zu finden. Ein Verzicht einer Feuerwehr auf die Vorhaltung der dreiteilige Schiebleiter könnte also gravierende Folgen haben.

Vornahme der dreiteiligen Schiebleiter zur Sicherstellung des zweiten Rettungsweges bei einem Gebäude mit vier Vollgeschossen. Foto: Christian Meyer

Die Landesbauordnungen orientieren sich in der Regel jeweils an der Musterbauordnung, welche in der Vergangenheit ebenfalls die Sicherstellung des zweiten Rettungsweges mit der dreiteiligen Schiebleitern ermöglichte. So wurde zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen erst 1984 in der Definition der Gebäude geringer Höhe die Höhenbeschränkung von sieben Metern des Fußbodens des höchsten Aufenthaltsraumes eingeführt. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die dreiteilige Schiebleiter bei Gebäuden nicht mehr als zweiter Rettungsweg baurechtlich in den Ansatz gebracht werden. Die vorhergehenden Bauordnungen in dem Bundesland kannten keine Höhenangaben im heutigen Sinne. Somit erfolgte eine Beurteilung lediglich über die Geschosszahl der Gebäude.

Nachforderung nach zweitem Rettungsweg

Bei rechtmäßig genehmigten bestehenden Gebäuden kann gefordert werden, dass nachträglich ein zweiter baulicher Rettungsweg nachgerüstet wird. Das geht aber nur im Einzelfall, wenn Leben und Gesundheit der Nutzer gefährdet sind. Hierbei muss die jeweilige Behörde allerdings prüfen, durch wen diese Gefahr ausgelöst wurde und wer sie somit zu beseitigen hat.

>>Letzter Ausweg: Anleiterbereitschaft<<

Lag zum Zeitpunkt der Baugenehmigung zugrunde, dass das erforderliche Rettungsgerät der Feuerwehr den zweiten Rettungsweg sicherstellt, so kann diese Situation im Nachhinein – etwa durch eine Umstrukturierung oder Neuorganisation der zuständigen öffentlichen Feuerwehr – nicht zu Lasten des Bauherrn verändert werden. Das würde dem allgemeinen Versorgungsgrundsatz der Brandschutzgesetze der einzelnen Bundesländer widersprechen. In diesen Fällen wäre somit eine Ordnungsverfügung der jeweiligen Behörde ermessensfehlerhaft.

Ein Verlangen zur Anpassung kann somit auf der Grundlage des Bestandsschutzes in der Regel rechtlich nicht durchgesetzt werden. Dadurch ist trotz der vielfachen Bemühungen der zuständigen Brandschutzdienststellen beziehungsweise Bauordnungsämter eine flächendeckende Veränderung dieser Situation nicht in Sicht.

Abhängig von der jeweiligen Bebauung im eigenen Einsatzgebiet ist davon auszugehen, dass ein Teil des Gebäudebestandes schon aus formellen Gründen die Bereitstellung der dreiteiligen Schiebleiter durch die Feuerwehr erfordert. Die Feuerwehr als eine Einrichtung der Kommune muss daher die gesetzlichen Vorschriften erfüllen. Es liegt nicht im Ermessensspielraum der Feuerwehr, gesetzliche Bestimmungen zu beachten oder deren Umsetzung abzulehnen.

Hieraus resultiert, dass die Feuerwehr jeweils für den Gebäudebestand die hierfür baurechtlich geforderten Rettungsgeräte (Steckleiter, Schiebleiter, Drehleiter) auch weiterhin vorhalten muss. Diese Tatsache schließt die Vorhaltung der dreiteiligen Schiebleiter auf Feuerwehrfahrzeugen in ausreichender Anzahl mit ein.

Die Vorteile der Schiebleiter

Das Mitführen auf den Erstangriffsfahrzeugen der Feuerwehr macht auch aus einem anderen Grund Sinn: In Gebieten mit einer dichten Bebauung kann über die dreiteilige Schiebleiter oftmals ein optionaler Rettungs- beziehungsweise Angriffsweg sichergestellt werden. Die Vorteile der dreiteiligen Schiebleiter mit einer Rettungshöhe von immerhin zwölf Metern kommen gerade da zum Tragen, wo beispielsweise die Zufahrt oder Aufstellfläche für eine Drehleiter nicht gegeben ist.

Auch wenn die Aufgabenvielfalt der Feuerwehren immer umfangreicher wird, muss die Verknüpfung zwischen dem Vorbeugenden und Abwehrenden Brandschutz weiterhin sichergestellt und vorangetrieben werden. Nur wenn beide Seiten voneinander ausreichendes Fachwissen haben, kann ein effektiver Brandschutz sichergestellt werden. „Insbesondere bei den Kollegen im Abwehrenden Brandschutz findet das Thema VB oftmals nur unzureichende Beachtung, da dieses Aufgabenfeld der Feuerwehr als weit weniger spektakulär angesehen wird“, schrieb Essens Branddirektor Jörg Wackerhahn sinngemäß vor Jahren in einer Kolumne.

„Die regelmäßige Vornahme von tragbaren Leitern ist eine grundlegende Aufgabe aller öffentlichen Feuerwehren, die immer wieder im Rahmen von Wachunterrichten oder sonstigen Übungsdiensten trainiert werden muss“, so der Kreisbrandmeister (KBM) des Kreises Soest, Thomas Wienecke. Die Mindestbesatzungsstärke von Löschgruppen- oder Hilfeleistungs-Löschgruppenfahrzeugen muss mindestens eine Staffel sein, um im Einsatz regelkonform nach den gültigen Feuerwehrdienstvorschriften – wie der FwDV 3 (Einheiten im Lösch- und Hilfeleistungseinsatz) sowie 10 (Die tragbaren Leitern) – tätig werden zu können.

Nur durch regelmäßige Übungen im Umgang mit tragbaren Leitern können die Einsatzkräfte für den Einsatz damit fit gemacht werden – dazu gehört auch das Entnehmen der Leitern. Foto: Meyer

Die Basiseinheit nach der FwDV 3 ist zwar die Gruppe 1/8, sie ist aber gerade auch auf den Einsatz einer Staffel ausgerichtet und optimiert worden. Insbesondere mit immer weiter sinkender Tagesverfügbarkeit im Bereich der FF und Personaleinsparung im Bereich der Berufsfeuerwehren ist die Staffel eher die Regel.

Grundsätzlich sieht die FwDV 3 vor, dass über den ersten Rettungsweg vorgegangen wird. In der Realität gibt es aber auch immer wieder Szenarien, bei denen zum Beispiel eine Menschenrettung nicht über den ersten Rettungsweg zeitnah erfolgen kann (Person am Fenster im rückwärtigem Bereich, Flucht- und Rettungsweg stark verraucht oder sogar vom Feuer beaufschlagt). Genau für solche Situationen ist eine ausreichende Mindeststärke auf den Löschgruppenfahrzeugen erforderlich.

>>Die wichtigsten Feuerwehr-Dienstvorschriften<<

Weiterhin legt der jeweilige Einsatzleiter mit Hilfe des Führungsvorganges gemäß der FwDV 100 (Führung und Leitung im Einsatz) fest, wo der Gefahrenschwerpunkt ist. Dabei entscheidet er im weiteren Verlauf in der Einsatzplanung, welche technische Umsetzung zur Gefahrenabwehr die Sinnvollste ist (Abwägen der Vor- und Nachteile der einzelnen technischen Möglichkeiten). Weiter führt der KBM zur notwendigen Vorhaltung der dreiteilige Schiebleiter aus: „Im Brandfall kommt es regelmäßig vor, dass über zwei verschiedene Angriffswege vorgegangen werden muss, sprich über eine tragbare Leiter und den Treppenraum. Es kann aber auch vorkommen, dass anstatt des nicht mehr benutzbaren Treppenraums (alte Holztreppenräume) nur der Angriff über die tragbaren Leitern möglich bleibt. Tragbare Leitern, auch die dreiteilige Schiebleiter für Gebäude im Bestand, sind deshalb unverzichtbar.“

Aufstellen der Schiebleiter

Nachteile der Schiebleiter

So berechtigt die Schiebleiter auch ist, so hat sich doch eine Reihe gravierender Nachteile für Feuerwehr-Einsätze:

  • Es wird relativ viel Personal für den Einsatz der Schiebleiter benötigt (fünf Kräfte beim Entnehmen vom Fahrzeug und Aufstellen, vier Leute beim Betrieb). Deshalb ist die Mindestbesatzung einer Staffel erforderlich.
  • Hoher Ausbildungsaufwand. Da tragbare Leitern bei der Menschenrettung oftmals unter hohem Zeitdruck vorgenommen werden, müssen die nötigen Handgriffe im Ernstfall sitzen. Also sollte die Vornahme regelmäßig geübt werden.
  • Aufgrund der Tatsache, dass die dreiteilige Schiebleiter nur selten zum Einsatz kommt, liegen beim Umgang damit auch nur unzureichende Einsatzerfahrungen vor. Dies gilt es daher, im Rahmen der Aus- und Fortbildung zu kompensieren.
  • Keine Verletztenrettung möglich. Grundsätzlich können tragbare Leitern zur Menschenrettung nur dann effektiv eingesetzt werden, wenn die zu rettende Person selber bei der Rettung unterstützt. Dieser Umstand stellt bei allen tragbaren Leitern einen der größten Nachteile dar.
  • Schieb-Leitern sind schwierig bis gar nicht einsetzbar bei Kindern, alten oder kranken Menschen. Das Problem ist im Bereich des Vorbeugenden Brandschutzes schon länger bekannt, weshalb bei Sonderbauten, die zum Aufenthalt dieser Personen dienen, die Errichtung eines zweiten baulichen Rettungsweges gefordert wird.

Text: Christian Meyer,
Leitung Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der Feuerwehr Lippstadt

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