Bei diesem Leserbrief blieb uns glatt die Spucke weg

So lassen sich Aktive auch vergraulen

Wer sich in der Freiwilligen Feuerwehr jahrelang engagiert und als Maschinist und Atemschutzgeräteträger hunderte Einsätze fährt, der sollte bei einem Umzug in eine neue Stadt in jeder Feuerwehr willkommen sein. Sollte man meinen. Feuerwehr-Magazin-Leser Albrecht Fritsch erzählt uns in einem Brief von seinem Feuerwehr-Lebenslauf. Er trifft dabei auf Probleme, die in der Redaktion nur Kopfschütteln verursacht haben. Der Leserbrief in voller Länge:

Seit vielen Jahren lese ich Ihr Heft und bin von der Qualität und Berichterstattung immer wieder begeistert. Seit einigen Jahren greifen Sie nun auch das Thema “Mitglieder gewinnen” auf. Mit verschiedenen Aktionen im letzten Jahr wie Frauenpower, Integration von Flüchtlingen oder dem Wettbewerb “Goldenes Sammelstück: Mitglieder finden und binden” haben Sie wiederholt die Wichtigkeit dieses Themas unterstrichen. Gerne würde ich aber dieses Thema einmal aus einem anderen Aspekt betrachten und dazu meinen eigenen Lebenslauf in der freiwilligen Feuerwehr kurz skizzieren:

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Früher durch berufliche Gründe meiner Eltern, später durch Studium und eigenen Job bin ich bisher mehr als fünf Mal umgezogen. Begleitet hat mich dabei von Kindesjahren an die Begeisterung für die Feuerwehr. So bin ich mit 10 Jahren in die Jugendfeuerwehr eingetreten, musste aber bereits nach 2 Jahren die Jugendfeuerwehr wechseln. Mit 16 wechselte ich in Norddeutschland in die aktive Wehr und machte in den folgenden Jahren verschiedenste Lehrgänge und Fortbildungen. Ich war hier Teil einer Schwerpunktwehr mit zwei Zügen und über 200 Einsätzen im Jahr.

Ausbildungsnachweise nicht akzeptiert

Nach dem Ende der Schulzeit folgte ein Wechsel in den Süden Deutschlands. Hier wollte ich mit Aufnahme des Studiums wieder in die freiwillige Feuerwehr eintreten. Man beäugte kritisch meine norddeutschen Ausbildungsnachweise, akzeptierte Sie aber und nahm mich auf. Einen Meldeempfänger bekam ich dann aber nicht, da “Studenten ja eh nie da sind”. So machte ich die Ausbildungsabende mit und fuhr in den folgenden 2 Jahren keine fünf Einsätze, da ich nur alarmiert wurde, wenn die Sirene lief.

Mit Ende des Studiums und dem ersten Job folgte wieder ein Wechsel der Feuerwehr. Ich blieb im Süden und stellte mich bei der neuen Wehr vor. Hier akzeptierte man meine Ausbildungsunterlagen und Leistungen gar nicht mehr. Man bot mir an, ein Jahr in einer Übergangsgruppe (Jugendfeuerwehr – Einsatzabteilung) mitzumachen und dann zu sehen, ob ein zeitnaher Übertritt in die Einsatzabteilung möglich wäre. Auch auf Nachfrage war man von dieser Form der Eingliederung nicht abzubringen und so verabschiedete ich mich bei dieser Wehr.

“Schnupperjahr” für erfahrenen AGT

Mit dem Jobwechsel innerhalb des Unternehmens ein paar Jahre später musste ich erneut umziehen. Hier nahm ich einen erneuten Anlauf und suchte die freiwillige Feuerwehr vor Ort auf. Wieder konnte man mit meinen Ausbildungsunterlagen nichts anfangen, Einsatzzeiten bei vorherigen Wehren wollte man nicht anerkennen und man bot mir an, ein “Schnupperjahr” zu machen. Dann würde man sehen, ob und wie man mich aufnehmen könnte.

Hiermit endet vorerst meine Feuerwehrkarriere, seit 5 Jahren bin ich nun keinen Einsatz mehr gefahren. Ich habe neben dem Job nicht mehr die Zeit, jedes Mal meine Feuerwehrlaufbahn von vorne zu beginnen und sehe dies, ehrlich gesagt, auch nicht ein. Ich bringe Einsatzerfahrung aus hunderten von Einsätzen mit, ebenso fachliche Fortbildungen wie CSA-Träger, Drehleitermaschinist und weitere.

Ich war AGT und Maschinist mit CE Führerschein und Fahrpraxis. Doch das System der freiwilligen Feuerwehr in Deutschland hat mich verloren; mit diesem Ausbildungsstand in einer neuen Wehr mit Standrohrsetzen und Knotenkunde jedes Mal wieder von vorne zu beginnen, bin ich nicht bereit. Klar ist mir natürlich, dass eine Aufnahme nicht innerhalb von Stunden erfolgt, sondern man sich erst einmal kennenlernen und den Ausbildungsstand abklären muss. Doch ein Jahr ist sicherlich ein völlig überzogener Zeitraum hierfür.

Mehr zum Thema “Mitglieder finden & binden”

Warum keine einheitlichen Standards für die Feuerwehr?

Dieses Beispiel zeigt aus meiner Sicht, dass die Wehren vor Ort und der deutsche Feuerwehrverband sich diesbezüglich verändern müssen. Wie in Teilen der Wirtschaft müssen wir Quereinsteigern ein Eingliedern erleichtern beziehungsweise auch über die Grenzen der Bundesländer hinweg zusammenarbeiten und einheitliche Standards schaffen, um gleiche Ausbildung und die Anerkennung von Leistungen zu ermöglichen. Das Nicht-Anerkennen von Lehrgängen, verschiedensten Ausbildungswegen und Laufbahnen aus anderen Bundesländern werden wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können. Die Wirtschaft fordert immer mehr Mobilität, der Anteil der Studenten nimmt seit Jahren in Deutschland zu und auch Azubis müssen immer öfter fern ab der Heimat ihrer Ausbildung nachgehen.

Und hier komme ich auf den Aspekt der Mitgliedergewinnung und die seit Jahren sinkende Zahl an Einsatzkräften zurück. Wenn wir über die Gewinnung von neuen Mitgliedern reden, ist das sicherlich das eine, aber auch müssen wir bestehende Mitglieder halten. Hier haben wir ein “hausgemachtes” Problem, dass wir selber lösen können.

Sicherlich ist mein Beispiel ein extremes, doch jedes verlorene aktive Mitglied fehlt im Einsatz und das werden wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können. So wird es auch über die Existenz des weltweit einmaligen Netzes an freiwilligen Feuerwehren entschieden.

Ich freue mich, wenn mein Beitrag zur Diskussion im Leserkreis Ihrer Zeitschrift anregt. Albrecht Fritsch.

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