Droht dem Harz ein Waldbrand-Inferno?

Göttingen (NI) – Bisher galt der Harz aufgrund der starken Niederschläge als immun gegen schwere Waldbrände. Doch das könne sich in den kommenden Jahren rapide ändern. Das sagen zumindest Wissenschaftler der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Göttingen. Dort trafen sich Experten sowie Vertreter des Niedersächsischen Innenministeriums und der betroffenen Landkreise aus den Bereichen Forst, Brand- und Katastrophenschutz auf Initiative der HAWK zum ersten „Brandschutzforum Harz“ an der Fakultät Ressourcenmanagement.

Symbolfoto: TLF-Einsatz bei einem Waldbrand (hier bei Lübtheen, MV). Drohen im Harz bald ähnliche Szenarien? Davon sind Wissenschaftler überzeugt. (Bild: Timo Jann)

Wo früher von Brandgefahr keine Rede war, herrschte 2018 und 2019 große Trockenheit. Von der Dürre geschädigte Bäume fielen dem Borkenkäfer zum Opfer, Moore fielen trocken. Durch Stürme, Trockenheit und Käferbefall gebe es eine Menge Totholz, das einem möglichen Feuer viel Nahrung böte. Schon in den letzten Jahren gab es mehrere kleinere Waldbrände im Harz. Dass es nicht schlimmer gekommen ist, sei reines Glück gewesen, glaubt Forstwissenschaftlerin Prof. Dr. Bettina Kietz. Sie lehrt an der HAWK unter anderem in den Bereichen Forstnutzung und Holzernte.

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„Das Szenario eines großen Waldbrandes im Harz wäre deutlich schlimmer als beispielsweise in der Heide“, sagt sie, „der Harz hat sehr steile Hänge. Dadurch haben wir auch eine deutlich schnellere Feuerausbreitung. Hangaufwärts hat das Feuer quasi Rückenwind.“ Dazu gebe es in der Region durch die schmalen Täler teilweise nur sehr eingeschränkte Fluchtwege. „Hinzu kommt, dass das Gelände nicht annähernd so befahrbar ist wie in anderen Waldbrandregionen. Das heißt, auch der Feuerwehreinsatz ist deutlich eingeschränkt“, fürchtet die Professorin. „Flugzeuge können in dem stark kupierten Gelände nicht eingesetzt werden, geeignete Hubschrauber sind nur in geringer Zahl und mit erheblicher Vorlaufzeit an einen Brandort zu bekommen.“

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Angesichts dieser Gefahr hat Kietz zum „Brandschutzforum Harz“ eingeladen. Denn um auf große Brände vorbereitet zu sein, müssten alle Akteure in Zukunft auf übergeordneter Ebene zusammenarbeiten, so Kietz. „Bisher ist der Brandschutz im Katastrophenfall auf Landkreisebene geregelt. Feuer macht aber vor Landkreisgrenzen genauso wenig halt wie vor Besitzgrenzen oder Landesgrenzen. Es fehlt ein harzübergreifendes Konzept für den Brandschutz und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen.“

Den Bedarf haben auch alle anderen Beteiligten erkannt. Das Interesse am Austausch ist groß: Neben Vertretern aus der Wissenschaft, den Landkreisen Göttingen, Goslar und Harz, der Feuerwehr und der Bundeswehr waren auch die Waldbrandschutzbeauftragten zum Forum nach Göttingen gekommen. Daneben waren Sabine Bauling für den Nationalpark Harz und Christian Friedrich für das Referat Brand- und Katastrophenschutz des Niedersächsischen Innenministeriums vertreten.

„Man hat nicht das Gefühl, dass die letzten beiden Sommer ein Jahrhundertereignis waren“, erklärt Kreiswaldbrandbeauftragter Oliver Glaschke. Eher würden Hitze und Trockenheit im Harz zur Normalität werden. „Das sind Gefahren, die wir früher nicht kannten. Der Klimawandel schlägt bei uns im Wald voll durch.“ Glaschke hofft, dass das Forum alle Teilnehmer noch einmal für das Thema sensibilisiert und sich die Zusammenarbeit über Landkreis- und Ländergrenzen hinweg verbessert. „Wir brauchen einen gemeinsamen Schubladenplan, damit man einen Waldbrand vernünftig bekämpfen kann.“ Einig waren sich auch alle Beteiligten, dass dieser Plan gemeinsam gelebt und trainiert werden muss. Über einen wichtigen Baustein sind sich die Beteiligten dabei schon einig: Eine aktualisierte Waldbrandeinsatzkarte mit dem Wegenetz und den Wasserentnahmestellen soll möglichst schnell verfügbar sein.

Symbolfoto: Ausgebaute Waldwege? Gerade im Harz wären viele Einsatzstellen schlecht oder sogar überhaupt nicht von den Einsatzkräften zu erreichen, so die Wissenschaftler. (Bild: Timo Jann)

Waldbrände waren von Menschen verursacht

Aber auch die Prävention durch Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung ist ein Thema für die Verantwortlichen. Die Waldbrände 2018 und 2019 waren alle menschengemacht. Das Problem ist nicht selten ein verantwortungsloser Umgang mit Feuer, weiß auch Kietz: „Im Nationalpark gibt es immer wieder Leute, die Wildlife für sich erleben wollen, dort übernachten und sich eine Feuerstelle machen.“

Um aus dem ersten Treffen möglichst bald konkrete Maßnahmen zu gewinnen, wollen sich die Teilnehmer des Forums nun regelmäßig austauschen. Die Verantwortung dafür hat Dennis Dorn, Fachdienstleiter Ordnung Verkehr und Bevölkerungsschutz beim Landkreis Goslar, übernommen. Dort soll auch das nächste Treffen stattfinden. Kietz freut sich über diese Entwicklung: „Der Landkreis Goslar ist unheimlich weit mit seinen Brandschutzkonzepten. So können Erkenntnisse weitergegeben werden, um möglichst schnell zu einem harzübergreifenden Brandschutzkonzept zu kommen.“

Zum weiterlesen:

Klimawandel: 13 Auswirkungen für die Feuerwehr

Informationen: Pressemitteilung der HAWK

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Mir aus der Seele gesprochen! 13 Department Bouches du Rhone ist seit Jahren meine Urlaubsregion und ich habe mehrere Waldbrände und die Professionalität der französischen Kameraden hautnah miterlebt. Und den beeindruckenden Einsatz der Löschflugzeuge direkt über unseren Köpfen. Wir waren da bereits auf die Evakuirung eingestellt unserem Campingplatz, doch die Pomiers haben es innerhalb von 24 Stunden im Griff gehabt.

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  2. Ich verstehe auch nicht, daß immer mehr TLF auf Unimog Fahrgestell ausgemustert werden und durch 18 Tonnen Fahrzeuge ersetzt werden. Die Unimogs kommen fast überall hin, die neuen schweren Fahrzeuge nicht. Hubschrauber sind eine gute Möglichkeit, wenn die Bundeswehr welche zur Verfügung stellt. Und Löschflugzeuge gibt es seit dem Ende der DDR nicht mehr in Deutschland. Die müssen dann von Frankreich angefordert werden

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  3. Ich empfehle die Kontaktaufnahme mit unseren Südfranzösischen Kollegen ( pompiers 13 Departement Bouches du Rhone ) sie haben Jahrzehntelange Erfahrung in der Waldbrandbekämpfung ihre Schule ist hoch modern und auch in sehr hügeligen Gelände werden nicht nur Hubschrauber sondern auch Löschflugzeuge erfolgreich eingesetzt.

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  4. Gegen Waldbrände gibt es kein Patentrezept. Das scheinen auch die im Artikel handelnden Personen zu wissen.
    Die Einsicht, dass Brände an Landesgrenzen nicht halt machen ist ja schön und gut. Eine Zusammenarbeit macht aber die im Artikel genannten Widrigkeiten im Harz nicht wett! Die Gebirge werden dadurch nicht flacher, die Wege nicht besser und das Totholz nicht weniger.
    In diesen Regionen ist die Brandbekämpfung eben nur aus der Luft möglich. Hier fehlt es schlicht an Hubschraubern.

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