Wenn es zur Mayday-Meldung kommt

Anleiterbereitschaft: Sicherheit für Kräfte im Innenangriff

Durch die so genannte Anleiterbereitschaft (ALB) lässt sich die Sicherheit der im Innenangriff vorgehenden Kräfte erhöhen. Im Notfall steht dadurch sofort ein weiterer Fluchtweg zur Verfügung. Doch vielerorts gehört die ALB noch nicht zum Standard.

Wird das Hubrettungsfahrzeug frühzeitig einsatzbereit gemacht (Anleiterbereitschaft wird hergestellt), kann einem im Innenangriff vorgehenden Trupp sofort geholfen werden, wenn dieser in eine Notlage gerät und schnell das Gebäude verlassen muss. (Bild: Hegemann/Feuerwehr-Magazin)

Feuer, Menschenleben in Gefahr! Du bist Angriffstruppführer und Dein Einsatzauftrag lautet “Suche und Menschenrettung im 4. Obergeschoss” – dem Geschoss direkt über dem Feuer! Ihr geht mit einer C-Leitung über den Treppenraum vor. Als Ihr den ersten Raum durchsucht habt, kommt es zu einer schnellen Brandausbreitung in den Treppenraum, Euer Rückweg ist augenblicklich versperrt. Plötzlich habt Ihr kein Wasser mehr am Strahlrohr.

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Sofort gibst Du eine “Mayday”-Meldung über Funk an den Einheitsführer ab und Ihr aktiviert den Notsignalgeber. Ihr flüchtet an das nächstgelegene Fenster, es scheint die einzige Rettung zu sein. Zu Eurem Entsetzen seht Ihr von da, dass der Ausleger des Hubrettungsfahrzeugs in der Leiterablage liegt, die Stützen sind noch nicht ausgefahren. Das Fahrzeug ist nicht in Stellung gebracht.

Mai 2004 – Brand mit Flash-over in Raesfeld im Kreis Borken. Zwei Feuerwehrleute können sich in letzter Sekunde über die Leiter retten. Foto: Bludau

Eine derartige Situation ist leider immer noch denkbar. Dabei kann eine Anleiterbereitschaft Leben retten!

Definition der Anleiterbereitschaft

Anleiterbereitschaft ist eine einsatztaktische Maßnahme zur Sicherstellung eines zweiten Rettungs- und Rückzugsweges für im Innenangriff vorgehende Atemschutzgeräteträger, wenn sich Brandstellen oberhalb des Erdgeschosses befinden oder eine Personensuche oberhalb des Brandgeschosses erfolgen muss. Hierzu werden Hubrettungsfahrzeuge, tragbare Leitern und/oder Sprungrettungsgeräte so in Stellung gebracht, dass ihre sofortige Nutzung im Bedarfsfall möglich ist.

“Hubrettungsfahrzeuge sind zu bevorzugen” 
…betonen die Experten von Drehleiter.info.

Wenn es der Platz vor dem Einsatzobjekt erlaubt, sollte das Hubrettungsfahrzeug so an einer Gebäudeecke aufgestellt werden, dass sich mit dem Ausleger gleich zwei Seiten abdecken lassen. Bei einem Notfall der Kräfte im Innenangriff kann die Drehleiterbesatzung ihnen innerhalb kürzester Zeit zur Hilfe kommen und einen Fluchtweg anbieten. Foto: Hegemann

Fakten-Check Anleiterbereitschaft

  • Das Hubrettungsfahrzeug möglichst so positionieren, dass zwei Gebäudeseiten abgesichert werden können.
  • Eine Gebäudefront kann mit einem Hubrettungsfahrzeug sinnvollerweise bis zum Erreichen der Zwei-Personen-Freistandsgrenze abgesichert werden.
  • Der Hauptsteuerstand ist während der Einsatzart Anleiterbereitschaft permanent besetzt zu halten, nur so kann im Notfall schnell reagiert werden.
  • Ein kombinierter Einsatz von mehreren Hubrettungsfahrzeugen und/oder tragbaren Leitern vergrößert die abzusichernde Gebäudefläche und erhöht die Sicherheit der im Innenangriff vorgehenden Atemschutzgeräteträger.
In der Regel kann eine Anleiterbereitschaft bis zur 2-Personen-Freistandsgrenze sichergestellt werden. Merke: ALB – 2 Seiten – 2-Personen-Freistand. (Bild: Feuerwehr-Magazin/Jung)

“Darf man am Feuer vorbeigehen, ohne die Brandwohnung zu sichern?”

In der Norm DIN 14011:2018-01 “Feuerwehrwesen – Begriffe” ist die Anleiterbereitschaft unter Punkt 3.2.3.9 wie folgt definiert:

“Sicherstellung eines zusätzlichen Rückzugsweges für im Innenangriff vorgehende Einsatzkräfte, wenn sich Brandstellen oberhalb des Erdgeschosses befinden oder eine Personensuche oberhalb des Brandgeschosses erfolgt, mittels in Stellung gebrachtem Hubrettungsfahrzeug, tragbarer Leiter und/oder Sprungrettungsgerät, so dass deren sofortige Nutzung im Bedarfsfall möglich ist.”

DIN-Normen erlangen bekanntlich erst Gültigkeit, wenn die Inhalte von der Fachöffentlichkeit diskutiert und Experten ihre Tragfähigkeit geprüft haben. Daher ist davon auszugehen, dass hier Konsens unter Fachleuten bei dieser Aussage besteht.

Weiterhin hat die Feuerwehr bei ihren Einsätzen die Aufgabe, auf der Basis meist lückenhafter Informationen, eine oder gleichzeitig mehrere Gefahren zu bekämpfen. Eine Gefahrenlage kann dabei im Umfang und im Gefährdungsgrad auch während des Einsatzes weiter anwachsen. Die Gefahrenabwehr – auch bei ursächlich abgeschlossenen Ereignissen – kann erhebliche technische und organisatorische Einsatzmaßnahmen erforderlich machen. Die Einsatzleitung hat die Aufgabe, alle Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren und zur Begrenzung der Schäden zu veranlassen. Insbesondere gilt es, die Einsatzkräfte möglichst wirkungsvoll an meist unbekannten Orten und bei nicht vollständig bekanntem oder erkundetem Schadenumfang einzusetzen.

Bei einer Menschenrettung, gegebenenfalls auch unter erschwerten/riskanten Bedingungen, muss der Einsatzleiter selbstverständlich prüfen, vor welchen Gefahren er seine Kräfte schützen muss. Als Ultima Ratio können hier auch Entscheidungen getroffen werden, die eventuell bei einer Standardlage nicht befohlen werden. Eine Lage muss immer individuell bewertet werden, somit auch das Risiko, welches für Kräfte entsteht. Es geht hier auch mitnichten darum, dass Handeln von Hasardeuren zu billigen und unkalkulierbar hohe Risiken einzugehen. Wenn jedoch eine Rettung von Menschen möglich ist, den größten Schutz für die eingesetzten Einsatzkräfte zu schaffen. Die Anleiterbereitschaft ist ein Baustein im Sicherheitssystem für den vorgehenden Trupp.

In die Ausbildung einbringen

Das Team von Drehleiter.info fordert, die Anleiterbereitschaft fest in die Feuerwehr-Ausbildung zu integrieren. Das Prinzip und ihre Bedeutung für die Sicherheit der Atemschutzgeräteträger (AGT) kann in den verschiedenen Stufen wie folgt vermittelt werden:

  • Grundausbildung/Truppmann-Lehrgang: Einsatzmöglichkeiten und -grundsätze der ALB, praktisches Training mit tragbaren Leitern in der Grundausbildung.
  • Atemschutzgeräteträger-Lehrgang: Einsatzgrundsätze, ALB im praktischen Training integrieren, praxisnahe Ausbildung, wie zum Beispiel Übersteigen auf eine Leiter/in den Korb eines Hubrettungsfahrzeugs mit PA und Zusatzausrüstung, zügiges Übersteigen aus Fenstern und über Balkonbrüstung und so weiter, Überkopf-Absteigen (Notausstieg).
  • Truppführer-Ausbildung: Festlegen des Anleiterortes mit tragbaren Leitern, vollständige Befehlsge­bung, zügige Leitervornahme.
  • Ausbildung zum Maschinisten für Hubrettungsfahrzeuge (gemäß Musterausbildungsplan des AFKzV oder der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren Bund): Grundsätze der Einsatzart Anleiterbereitschaft mit Hubrettungsfahrzeugen, Korrekte Positionierung des Hubrettungsfahrzeugs für eine Anleiterbereitschaft mithilfe der HAUS-Regel.
  • Führungsausbildung ab Gruppenführer: Einsatzgrundsätze der ALB, Berücksichtigung der ALB im Führungsvorgangs bei der Planung mit anschließendem Befehl.

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