Wie kann dieses hydraulische Rettungsgerät noch eingesetzt werden?

Rettungsspreizer: Vielseitig in der Anwendung

Bei der Technischen Hilfeleistung bleibt keine Zeit zum Probieren. Deshalb sollte jede Einsatzkraft ihr Gerät genauestens kennen. Wir haben für Euch Übungen zum Handling des Rettungsspreizers zusammengestellt, die Eure Fertigkeiten verbessern und auch noch Spaß machen.

Ich und mein Spreizer: Im Einsatz sollte jeder Handgriff sitzen. Denn für die Befreiung eines Unfallopfers hat die Feuerwehr nicht viel Zeit. Foto: Preuschoff

Inhalt:

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Spreizer sind in der DIN EN 13204:2016-12 „Doppelt wirkende hydraulische Rettungsgeräte für die Feuerwehr und Rettungsdienste – Sicherheits- und Leistungsanforderungen“ sowie in der DIN 14751-4:2011-04 „Hydraulisch betätigte Rettungsgeräte für die Feuerwehr – Teil 4: Doppelt wirkende hydraulische Rettungsgeräte mit integrierter Pumpe und/oder Energiequelle“ genormt. Die Funktionsweise eines Spreizers beruht auf dem Ausfahren eines doppelt wirkenden (in beide Richtungen wird eine Kraft ausgeübt) Hydraulikzylinders. Seine Kräfte werden über mechanische Gelenke auf zwei gleiche, sich gegenüberliegende Arme des Spreizers übertragen, die sich symmetrisch öffnen.

Das klassische Anwendungsgebiet des Spreizers ist das Herausreißen von Türen an einem Unfallfahrzeug, um einen Zugang zum eingeklemmten Patienten zu schaffen. Außerdem dient er im späteren Verlauf der technischen Hilfeleistung zum Entklemmen, indem mit ihm die in die Fahrgastzelle eingedrungenen Teile der Karosserie – wie etwa das Armaturenbrett – wieder vom Patienten weggedrückt werden können. Für diese Aufgabe werden inzwischen in vielen Fällen auch Rettungszylinder eingesetzt. Weiter können Spreizer Teile anheben oder verschieben, ziehen, zusammen- oder auseinanderdrücken. Ganz wichtig: Immer darauf achten, dass die Objekte, an denen Ihr arbeitet, durch feste Stützen oder durch Unterbauen gesichert sind.

Wobei das Thema „Anheben von Lasten“ durchaus kontrovers diskutiert wird. Um es gleich klarzustellen: Es geht nicht darum, eine Last über den gesamten Spreizweg hinweg in die Höhe zu bewegen. Für diese Aufgaben ist ein Rettungsspreizer nicht das Mittel der Wahl. Dafür nehmt Ihr besser hydraulische oder pneumatische Rettungsgeräte.

Anheben von Lasten

Wenn hier von „Anheben“ die Rede ist, so bedeutet dies, zum Beispiel einen Pkw einige Zentimeter anzuheben, um Formhölzer, Stabilisierungssysteme, hydraulische (Winden oder Rettungszylinder) sowie pneumatische Rettungsgeräte (Hebekissen) unter die Last bringen zu können. Aber warum ist ein Spreizer nicht geeignet, Lasten über größere Distanzen anzuheben? Ein Spreizer führt immer eine bogenförmige Bewegung beim Anheben einer Last aus. Dadurch kann sich der Angriffspunkt der Kraft an der Last ungünstig verschieben, der Spreizer zur Seite kippen oder die Last kann im schlimmsten Fall von der Spreizerspitze rutschen.

Nur mit einem Rettungsgerät, dessen Bewegungsrichtung vertikal verläuft, lässt sich eine Last sicher über größere Distanzen anheben. Wollt Ihr dennoch den Spreizer zum Anheben nutzen, sollte dieses Verfahren vorher in der Feuerwehr-Ausbildung umfassend geübt worden sein – und wirklich eine Ausnahme bleiben. Dabei müsst Ihr auf einige Dinge achten:

  • Den Spreizer immer nur in ganz kleinen Schritten ausfahren, sonst droht er zu kippen und die Last kann von den Spreizerspitzen abrutschen. Vor dem Anheben ist die Last gegen Wegrollen/Wegrutschen zu sichern!
  • Lasten immer sofort schlüssig unterbauen. Also idealerweise während des Anhebens schon Keile nachschieben. Dabei niemals unter die Last oder zwischen Last und Unterbau greifen. Setzt gegebenenfalls Hilfsmittel (Hammer, Schraubendreher oder ähnliches) dazu ein. Auf ausreichende Stabilität des Unterbaumaterials achten.
  • Wenn das Gerät zum Beispiel auf Sand oder Gras abgestützt wird, muss mit einer Holzbohle das Gewicht auf eine größere Fläche verteilt werden, ansonsten drückt die untere Spitze in den weichen Boden.
  • Vorsicht vor dem Kippmoment. Wird eine Last einseitig angehoben und wandert dabei ihr Schwerpunkt über die Kante hinaus, auf der sie steht, kippt sie um.
  • Spreizer werden nur von einer Person bedient. Das Truppmitglied unterstützt beim Ansetzen, durch Nachführen des Schlauchs und Unterbauen der angehobenen Last, nicht jedoch bei der Bedienung. Darauf wird auch in den Bedienungsanleitungen der Geräte hingewiesen.

Die Spitzen des Spreizers sollten flach, griffig, stabil und sauber sein. Somit können sie auch in kleine Spalten eindringen und rutschen nicht so leicht ab. Enge Spalte – zum Beispiel Türspalte – werden Stück für Stück erweitert. Dabei wird zunächst mit den vorderen Enden der Spreizerspitzen gearbeitet und dann durch Nachsetzen die Angriffsfläche der Spitzen vergrößert. Auch Schnitte an besonders breiten C- oder D-Säulen – die hinteren Säulen bei Limousinen und Kombis – lassen sich so mit dem Spreizer erweitern, um mit dem Schneidgerät eindringen zu können.

Die Spitzen des Rettungsgerätes sind geriffelt, damit sie sich im Material festkrallen und der Spreizer nicht herausrutscht. Foto: Preuschoff

Der Spreizer sollte zudem so gehalten werden, dass alle zu spreizenden oder abzutrennenden Teile vom Patienten weggeführt werden. Selbstverständlich lässt sich ein Spreizer auch in anderen Situationen als bei einem Verkehrsunfall einsetzen, zum Beispiel an Geländern, Zäunen, Maschinenteilen, Türen in Gebäuden, Fenstergittern oder beim Anheben von Beton- und Stahlteilen.

Der Spreizer als Zange

Da der Hydraulikzylinder nicht nur beim Aus-, sondern auch beim Einfahren eine Kraft erzeugt, kann der Spreizer auch zum Quetschen oder Greifen benutzt werden. Die hierbei auftretenden Schließkräfte sind jedoch geringer als die Spreizkraft. Zum Quetschen möglichst immer die Spreizerspitzen verwenden.

Ein Rettungsspreizer kann auch benutzt werden, um ein Widerlager festzusetzen. Hier wird zum Beispiel ein Kantholz an einem Dachfenster befestigt, um es im nächsten Schritt als Festpunkt für einen Rettungszylinder zu nutzen. Foto: Preuschoff

Beim Quetschen solltet Ihr darauf achten, dass keine Personen durch abbrechende und umherfliegende Teile gefährdet werden. Nicht vor dem Spreizer aufhalten. Behaltet die Arme des Spreizers im Auge. Eventuell müsst Ihr den Vorgang abbrechen und neu ansetzen, wenn sich die Arme verbiegen. Dies kann vor allem bei Überlastung durch seitlich auftretende Kräfte passieren, da der Spreizer diese nur schlecht verkraftet.

Gequetscht werden können die Holme von Pkw, um sie mit dem Schneidgerät besser umfassen zu können. Rohre lassen sich mit dem Rettungsspreizer zusammendrücken, um zum Beispiel das Austreten von Flüssigkeiten zu verringern oder zu stoppen. Zum Quetschen möglichst immer die Spreizerspitzen verwenden.

Nicht gequetscht werden dürfen

  • stromführende Kabel,
  • vorgespannte und gehärtete Teile wie Federn, Federstähle, Lenksäulen und Walzen,
  • Explosivkörper wie zum Beispiel Airbagkartuschen oder Gurtspanner,
  • Vorsicht auch an Leitungen mit brennbaren oder explosionsgefährlichen Stoffen (Funkenbildung beim Quetschen).

Ihr könnt den Spreizer auch als Zange verwenden, um zum Beispiel beim Schaffen des Fußraumfensters das vorher geschnittene Blechteil nach außen zu biegen. Auch Blechkanten an Türen oder der Motorhaube lassen sich damit umbiegen, wenn Ihr Spalte zum Ansetzen des Spreizers vergrößern wollen. Achtet jedoch darauf, dass Ihr den Spreizer immer nur in Spreizrichtung belastet, nie quer dazu. Ihr könnt mit dem Spreizer auch einen Schwelleraufsatz oder ein Rüstholz fixieren, um ein Widerlager für einen Rettungszylinder zu schaffen.

Spreizerspitzen lassen sich auch als Zange nutzen, zum Beispiel um Bleche umzubiegen. Foto: Preuschoff

Schälen und Ziehen mit dem Spreizer

Mit vielen Spreizern ist das Aufschälen von Blechverkleidungen möglich. So lassen sich in die Außenhaut von Bussen, Eisenbahnwaggons oder Flugzeugen Zugangsöffnungen reißen. Die Hersteller bieten vielfach auch einen Schälsatz an, der statt der Spreizerspitzen an den Armen des Geräts befestigt werden kann. Wichtig ist dabei, dass die Spreizerspitze so tief in das Material eindringen kann, dass der Schälbereich erreicht wird.

Durch den Austausch der Spreizerspitzen durch einen Zugaufsatz kann mit einem Spreizer auch gezogen werden. Die Last wird dabei mittels spezieller Ketten angeschlagen. Zugketten müssen immer stramm gespannt sein und dürfen nur in Zugrichtung belastet werden. Reicht der Zugweg nicht aus, muss die Last mit einer Spannkette gesichert werden, bevor der Spreizer geöffnet und die Zugkette nachgespannt wird.

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Achtung: Verstellbare oder Sicherheitslenksäulen mit mehreren Gelenken können bei Zug nach vorne über die Motorhaube schlagartig nach innen in den Fußraum eindringen. Für den dort sitzenden Fahrer kann dies zu schweren Verletzungen an den Beinen und Füßen führen. Das früher gelehrte Ziehen von Lenksäulen mittels Rettungsspreizer und Kettensatz ist daher im Regelfall zu unterlassen. Somit genügt die Beschaffung eines Kettensatzes für besondere Lagen zum Beispiel auf einem Rüstwagen oder dem Abrollbehälter-Rüst.

Soll mit einem Kettensatz an einem Pkw gezogen werden, achtet bitte auf folgende Punkte:

  • Im Nahbereich der Ketten besteht erhöhtes Unfallrisiko. Deshalb sollte sich nur unbedingt erforderliches Personal dort aufhalten. Achtet auf den Schutz des Patienten.
  • Wählt die Anschlagpunkte am Pkw sorgfältig. Achtet auf den korrekten Sitz des Kettensatzes. Beobachtet die Anschlagpunkte während des Ziehens.
  • Ketten neigen dazu, sich in weiche Materialien, zum Beispiel das Blech der Motorhaube, einzuschneiden. Legt entsprechend Holz, zum Beispiel hölzerne Schlauchbrücken oder Bohlen, unter.

Wie bei der Saugleitung: Kuppeln üben!

Die Übungen zum Umgang mit dem Spreizer sollten – nach der theoretischen Einweisung – bereits mit der Entnahme vom Fahrzeug beginnen. Dazu ein Tipp: Statt sofort die Rettungsgeräte aus der Halterung zu nehmen, zieht Ihr zunächst nur die Hydraulikleitungen ab. Vorteile: Die Leitungen liegen glatt auf dem Boden, es bilden sich keine Schlaufen (Stolpergefahr) oder sogar Knicke. Abgeknickte Hydraulikschläuche müssen sofort ausgesondert werden!

Brezeln gehören zur Verpflegung nach dem Einsatz. Im Hydraulikschlauch haben sie nichts verloren. Wird dieser Schlauch jetzt während des Einsatzes stramm gezogen, können sich Knickstellen bilden. Foto: Preuschoff

Nicht nur die Neulinge, auch die „alten Hasen“ sollten sich (wieder) mit dem Gerät vertraut machen. Wie werden noch mal die Leitungen an- und abgekuppelt? Wie die Spreizerspitzen gegen die Kettenschlösser getauscht? In welche Richtung muss das Steuerventil bewegt werden, um das Gerät zu öffnen oder zu schließen? Klingt albern? Ist es aber nicht. In der gut beleuchteten Fahrzeughalle bei einem normalen Dienstabend mag das alles leicht von der Hand gehen. Aber in einer regnerischen Herbstnacht, in einem Graben kniend und vollgepumpt mit Adrenalin, weil schnell der Spreizer gegen einen Rettungszylinder getauscht werden muss, sieht das schon anders aus.

Dass auch ein Spreizereinsatz unter Atemschutz möglich ist, zeigt dieses Foto. Die Feuerwehr nutzt das Rettungsgerät, um einen brennenden Pkw von einem Gully zu schieben, damit dieser gegen das Einlaufen von Betriebsstoffen verschlossen werden kann. Foto: Jann (Bild: TIMO JANN)

Deshalb: Kuppelt nicht nur unter idealen Bedingungen. Übt es auch nur im Licht von Helm- oder Handlampe, ganz im Dunkeln (blind) oder auch mal unter Atemschutz. Und vor allem: Übt immer mit der vollständig angelegten Schutzkleidung. Denn Ihr arbeitet nicht nur mit schweren Geräten, die ein Verletzungsrisiko bergen. Schutzkleidung schränkt Euch in der Beweglichkeit ein – so, wie es im Einsatz später ja auch der Fall ist.

Haltung bewahren

Hydraulische Rettungsgeräte sind schwer. Ein üblicherweise verwendeter Spreizer wiegt zum Beispiel um die 20 Kilogramm. Daher sollte das Gerät immer nah am Körper geführt und getragen werden. Zum Beispiel

  • in der sogenannten Babyhaltung (eine Hand am Steuergriff, die andere Hand umfasst das Gerät von unten, sodass es auf dem Unterarm aufliegt),
  • in Hüfthöhe, wobei durch einen Ausfallschritt das Rettungsgerät auf dem Oberschenkel abgestützt werden kann oder
  • kniend, wodurch das Gerät auf einem Knie abgelegt werden kann.
  • Dabei sollte sich der Geräteführer so aufstellen, dass er durch die Bewegungen des Geräts nicht eingeengt, umgeworfen oder gar eingeklemmt wird.
Rückenschonendes Arbeiten: Soll der Spreizer an höher gelegenen Objekten eingesetzt werden, hält man ihn wie ein Baby auf dem Unterarm aufgelegt. Foto: Preuschoff

Spreizertennis

Um ein Gefühl für die Steuerung des Spreizers zu bekommen, legt einen Tennisball auf einen Pylon und stellt einen zweiten in 5 Meter Entfernung auf. Jetzt soll der Übende den Ball mit den Spreizerspitzen ergreifen und auf dem anderen Pylon ablegen. Steigert den Schwierigkeitsgrad, indem Ihr mit einem Tischtennisball und schließlich mit einem rohen Ei weitermacht. Jetzt folgt der Einsatz dazu: Kind in Geländer eingeklemmt. Dazu wird ein Ball zwischen die Streben eines ausrangierten Treppengeländers oder eines Übungsbocks geklemmt. Dieser muss mittels Spreizer vorsichtig befreit werden.

Eine Aufgabe, um die Steuerung des Spreizers und das ergonomische Handling zu trainieren: Mit den Spitzen wird ein Tischtennisball oder Ei aufgenommen. Foto: Patzelt

Als Übungsobjekte zum Anheben eignen sich volle Gitterboxpaletten oder IBC-Behälter, große Steine oder ein Schrottauto. Wichtig: Neben dem langsamen Bedienen des Spreizers muss auch immer sofort schlüssig unterbaut werden. Beim Pkw kann auch einmal versucht werden, ihn an einer Nabe eines Rades anzuheben. Das kann notwendig werden, falls eine Person unter dem Rad liegt. Würde nur der Wagen am Schweller angehoben, bliebe sonst das Rad am Boden, da der Federweg ein Anheben verhindert. Zum Anheben den Spreizer an einer der Radmuttern ansetzen. Natürlich nur mit Unterbau.
Geübt werden sollte auch das Festklemmen eines Widerlagers – insbesondere des Schwelleraufsatzes – für den Einsatz eines Rettungszylinders. Hier kommt auch wieder das Kuppeln zum Tragen. Denn wenn de Spreizer festgesetzt ist, wird seine Hydraulikleitung in der Regel für den Betrieb des Zylinders benötigt.

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