Grundsätze und Übersicht

Überdruckbelüftung von Feuerwehr-Einsatzstellen

Mobile Hochleistungslüfter gehören längst zur Standardbeladung von Löschfahrzeugen. Wir klären auf, wann sie eingesetzt werden sollten, welche Geräte für was geeignet sind und was bei einem Einsatz zu beachten ist. 

Von Alexander Müller

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Inhalt:

Überdruckbelüftung und Hochleistungslüfter – diese zwei Begriffe nehmen seit vielen Jahren einen festen Platz im Feuerwehr-Wortschatz ein. Nicht nur in Städten und bei Berufsfeuerwehren, sondern auch in ländlichen Bereichen und bei „kleineren“ Feuerwehren sind Lüfter flächendeckend vorhanden. Belüften oder Entrauchen ist mehr als ein einfaches „Blasen von Luft in ein Gebäude“. Auch der Lüftereinsatz hat seine Regeln und Taktiken. Die Vorgehensweisen und taktischen Grundsätze müssen auf jeden Fall beachtet werden, sonst wirkt der Lüftereinsatz kontraproduktiv – oder kann sogar die vorgehenden Einsatzkräfte gefährden!

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Hier wird eine Überdruckbelüftung vorbereitet, um einen noch nicht verrauchten Bereich rauchfrei zu halten. So können Angriffs- und Rettungswege belüftet werden. Foto: Büdenbender

Grundsätze für den Lüftereinsatz

Für einen richtigen und sinnvollen Einsatz eines Überdrucklüfters ist es notwendig, sich an Grundsätze aus der Feuerwehr-Truppmann-Ausbildung zu erinnern. Die Begleiterscheinungen eines Brandes, wie Wärme und Brandrauch, stellen erstmal eine Gefahr für die Einsatzkräfte dar. Durch Wärmestrahlung, Wärmeleitung oder Wärmeströmung entstehen folgende Gefahren:

  • Brandausbreitung;
  • Verletzung und Angstreaktionen von Personen;
  • Belastung der Einsatzkräfte;
  • Belastung von Gebäudeteilen;
  • Rauchgasausbreitung.

Die Gefahren des Brandrauches liegen in:

  • Rauchgasvergiftung bei Menschen und Tieren;
  • erschwerten Einsatzbedingungen durch Sichtbehinderung;
  • Angstreaktionen von Betroffenen;
  • Sachschäden an Gebäuden, Einrichtungen und Geräten.

Die durch Wärme und Rauch entstehenden Gefahren an einer Einsatzstelle (EST) können durch den Einsatz von Überdrucklüftern deutlich gemindert werden – bei korrekten Be- und Entlüftungsmaßnahmen. Bei einem Brand in einem Gebäude entwickelt sich die Hauptausbreitung des Rauches in der Vertikalen, also von unten nach oben. Kann der Rauch nicht nach Außen abziehen, kommt es im weiteren Verlauf zwangsläufig zu einer totalen Verrauchung.

Ausbildungsfolien Takt

Richtigen Rauchabzug schaffen

Als ersten Schritt kann eine natürliche Entlüftung eingeleitet werden. Diese Maßnahme ist jedoch stark von den Umfeldbedingungen an der Brandstelle abhängig. Dazu zählen die Temperatur der Brandgase, die Beschaffenheit des Gebäudes, Ort der Zu- und Abluftöffnung sowie die Wetterverhältnisse. Damit eine Entrauchung überhaupt möglich ist, muss im oberen Bereich des betroffenen Gebäudes eine Öffnung für den Rauchabzug geschaffen werden. Einfachste Variante ist das Öffnen eines Fensters durch den Angriffstrupp.

Aus den USA ist aber auch die Möglichkeit bekannt, eine künstliche Abzugsmöglichkeit im Dach zu schaffen. Dadurch zieht der Rauch durch den natürlichen Auftrieb ab. Um aber eine wirkliche „natürliche Entrauchung“ zu erreichen, muss ein Zustrom von Luft in das Gebäude sichergestellt werden. Bestenfalls befindet sich diese Zuluftöffnung im unteren Gebäudeteil. In der Regel wäre das der Eingang. Für eine „natürliche Entrauchung“ müssen also mindestens zwei Öffnungen vorhanden sein: die Zuluftöffnung und die Abluftöffnung.

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Möglichst frühzeitig sollte neben der reinen Brandbekämpfung auch an die Belüftung gedacht werden, hier mit einem Be- und Entlüftungsgerät. Foto: Rampfel

Als Richtwert für die Größe dieser Öffnungen gilt: Sind mehrere Möglichkeiten für die Abluftöffnung vorhanden, sollte ein Trupp den günstigsten Weg für den Abzug des Brandrauches erkunden. Das ungeordnete Schaffen von Abzugsöffnungen, wie das Öffnen mehrerer Fenster in einem Treppenhaus, kann einer effektiven Entrauchung entgegenwirken. In diesem Fall wird der Rauch den kürzesten Weg wählen und größtenteils durch die ersten Öffnungen austreten. Somit erfolgt eine Entrauchung der darüber gelegenen Bereiche nur sehr spärlich.

Sind die Voraussetzungen für eine natürliche Lüftung gar nicht oder nicht ausreichend gegeben, kann die Feuerwehr auf maschinell betriebene Geräte zurückgreifen. Hauptbrandmeister Markus Hofmann ist bei der Berufsfeuerwehr Regensburg für die Ausbildung „Be- und Entlüften“ zuständig. „Es ist wichtig, einen Lüftertrupp einzusetzen“, sagt Hofmann. „Die Aufgabe dieser Einsatzkräfte ist es, den günstigsten Weg für den Rauchabzug zu erkunden und die Abzugsöffnungen festzulegen.“ Durch die Erkundung des Lüftertrupps sei auch sicherzustellen, dass keine „versteckten“ Öffnungen vorhanden sind, der Brandrauch also nicht in bisher unbetroffene Bereiche vordringen.

Sollten bislang die offenen Türen nicht geschlossen oder in Gängen und Querverbindungen keine mobilen Rauchverschlüsse eingesetzt worden sein, muss auch das der Lüftertrupp machen.

Bei der Wahl der Zuluftöffnung ist darauf zu achten, dass grundsätzlich entweder von außen oder von einem nicht betroffenen Bereich in Richtung Brandraum belüftet wird. Wenn der Lüfter vor der Zuluftöffnung in Stellung gebracht wird, muss auf den richtigen Abstand geachtet werden. Hier gelten die Faustregeln:

  • Höhe der Zuluftöffnung = Abstand des Lüfter zur Öffnung
  • Flächenverhältnis Zuluftöffnung zu Abluftöffnung = 1 zu 1,5

Die Abluftöffnung darf auf keinen Fall größer als das 1,5-fache der Zuluftöffnung sein, da sonst kein ausreichender Überdruck aufgebaut werden kann. Der Luftstrom muss die komplette Fläche der Zuluftöffnung abdecken. Um das zu kontrollieren, kann eine bloße Hand in alle Ecken der Öffnung gehalten werden. Ist überall ein Luftzug zu spüren, steht der Lüfter korrekt. Außerdem muss der Bereich um die Einblasöffnung auf Verunreinigungen oder lose Gegenstände – wie Glassplitter oder Steine – kontrolliert werden, damit diese nicht umherfliegen, und freigehalten werden (zum Beispiel keine Einsatzkräfte unnötig in der Tür stehen).

Der Einsatz eines Lüfters kann auch schon vorsorglich erfolgen, also bei einem rauchfreien Treppenhaus. Ist beispielsweise bei einem Wohnungsbrand mit offenem Feuer das Treppenhaus bei Eintreffen der Einsatzkräfte noch rauchfrei, kann durch den Einsatz eines Lüfters ein Überdruck erzeugt werden. Der Angriffstrupp geht also mit der Luft im Rücken vor. Öffnet der Angriffstrupp die Tür zur Brandwohnung, wird durch den Überdruck verhindert, dass Brandrauch in größeren Mengen aus der betroffenen Wohnung ins Treppenhaus gelangt.

Ganz wichtig beim Vorgehen in die vom Feuer betroffenen Räume: Der Trupp darf nie zwischen Feuer und Abluftöffnung geraten. Das bedeutet auch, dass mit der Überdruckbelüftung erst begonnen werden darf, wenn der Angriffstrupp die Abluftöffnung geschaffen hat und wieder “vor” dem Feuer ist. Ist ein solches Vorgehen nicht möglich, muss von außen eine Abluftöffnung geschaffen werden, bevor der Trupp den Brandbereich betritt.

Ebenso wichtig ist die Sicherung der Abluftöffnung. Über sie werden der giftige Rauch und – wenn eine vom Brand direkt betroffene Wohnung belüftet wird – auch die heißen und brennbaren Rauchgase ins Freie geleitet. In diesem Bereich dürfen sich keine Personen aufhalten. Idealerweise steht hier ein Atemschutztrupp mit Wasser am Rohr bereit, um die Öffnung zu beobachten und gegebenenfalls einen Brandüberschlag auf die Fassade oder andere Objekte zu verhindern.

Übersicht: Mobile Hochleistungslüfter bei der Feuerwehr

Soll nach Ablöschen des Feuers die Brandwohnung entraucht werden, erfolgt die Belüftung grundsätzlich abschnittsweise. Beim Wohnungsbrand also Zimmer für Zimmer.

Die Be- und Entlüftungsgeräte der Feuerwehr können nach drei Gesichtspunkten unterschieden werden.

  • Funktionsprinzip: Je nach Gerät wird die Entrauchung durch das Erzeugen von Über- oder Unterdruck erreicht;
  • Leistung: Je nach Gerät ist die Größe des Luftvolumenstromes unterschiedlich;
  • Antriebsart: Geräte mit elektrischem Antrieb sowie die Überdrucklüfter motor- oder wasserbetrieben.

Weit verbreitet sind motorbetriebene Überdrucklüfter. Der Luftstrom liegt bei den gängigen Geräten im Bereich zwischen 11.000 und 34.000 Kubikmeter pro Stunde. Motorbetriebene Lüfter können schnell, mit geringem Personalaufwand und unabhängig von anderen Geräte eingesetzt werden. Zudem sind im Einsatzbereich des Lüfters auch keine störenden Versorgungsleitungen nötig.

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Die drei bei den Feuerwehren am verbreitesten Be- und Entlüftungsgeräte: Überdrucklüfter wasserbetrieben, Be- und Entlüftungsgerät, Überdrucklüfter motorbetrieben (v.l.).

Die Nachteile: Ein Einsatz im Ex-Bereich ist nicht möglich. Auch der relativ hohe Geräuschpegel eines motorbetriebenen Lüfters ist gerade bei einer längeren Einsatzdauer ein Störfaktor. Weiter ist zu beachten, dass der Motor ausreichend Sauerstoff für den Betrieb benötigt. Zudem können die Abgase des Motors mit in das zu belüftende Objekt geblasen werden. Wassernebel kann mit einem motorbetriebenem Lüfter auch nicht erzeugt werden.

Eine Sonderform der motorbetriebenen Lüfter sind Geräte, bei denen der Luftstrom durch eine Turbine produziert wird. Dabei wird ein schlanker Luftkegel mit einer hohen Strömungsgeschwindigkeit erzeugt. Diese liegt nach Herstellerangaben zwischen 125 und 135 Kilometern pro Stunde. Dadurch kann Umgebungsluft vor der Zuluftöffnung mitgerissen werden.

Mobile Belüftung: elektrisch oder mit Wasser?

Eine Alternative sind die Überdrucklüfter mit Wasserantrieb. Der große Vorteil der wasserbetriebenen Lüfter ist, dass keine zusätzliche Energiequelle nötig ist. Zudem ist der Geräuschpegel gering. Mit einem wasserbetriebenen Lüfter kann Wassernebel erzeugt werden und dieser Lüfter so auch im Ex-Bereich eingesetzt werden. Dagegen steht der Aufwand beim Aufbau.

Die Vorlaufzeit, bis mit der Belüftung begonnen werden kann, ist relativ lang. Es wird ein geschlossenes System benötigt, mit einer Schlauchleitung zum Lüfter hin und vom Lüfter weg. Grundsätzlich ist ein Löschfahrzeug, minimal eine Tragkraftspritze TS 8/8, fest gebunden, da der Lüfter mit einem konstanten Betriebsdruck von 8 bar gefahren werden soll. So kann von der Pumpe, die den Lüfter versorgt, keine weitere Leitung mehr vorgenommen werden. Wird der Lüfter im Eingangsbereich eines Gebäudes eingesetzt, liegen dort entsprechend zwei weitere Schlauchleitungen.

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Die längste Vergangenheit bei den deutschen Feuerwehren hat das elektrisch betriebene Be- und Entlüftungsgerät. Hiermit kann Brandrauch wirklich abgesaugt werden. Diese Maßnahme ist immer dann interessant, wenn keine sichere Möglichkeit besteht, den Brandrauch nach Außen zu drücken, ohne bisher unbetroffene Bereiche zu kontaminieren oder wenn es schlichtweg keine Abluftöffnung gibt. Bestes Beispiel: ein Kellerbrand.

Youtube-Video: Brand in Verpackungsfirma – Mobiler-Großventilator im Einsatz

Der Luftstrom wird in sogenannte „Lutten“ – bewegliche, formstabile Schläuche aus dünnem Kunststoff – geleitet. Das ist Vorteil und Nachteil zugleich. Der Luftstrom kann über Strecke oder um Ecken sehr genau eingesetzt werden. Gleichzeitig machen die Lutten das Gerät unflexibel. Insgesamt ist der Luftstrom zudem mit rund 10.000 Kubikmetern pro Stunde bei den standardmäßig verbreiteten Geräten im Vergleich mit den anderen Lüftern sehr gering. Das liegt vor allem an dem geringen Durchmesser des Lüfterpropellers und an dem Reibungsverlust in den Lutten.

Wobei inzwischen auch Be- und Entlüftungsgeräte mit einer größeren Leistung angeboten werden. Die Geräte sind allerdings im Vergleich mit den Überdrucklüftern deutlich ausbildungsintensiver. Ein Bonus: Bei bestimmten Voraussetzungen ist ein Einsatz als Leichtschaumgenerator möglich.

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