Digitalfunk Feuerwehr

Digitalfunk Feuerwehr: Seit einigen Jahren ist das Thema Digitalfunk bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) relevant. Die Umstellung von analoger auf digitale Technik brachte Vor- und Nachteile mit sich. Wir klären auf.

Verstanden – Ende

Seit der Projektierung und Einführung im Jahr 2006 funken die meisten Feuerwehren in Deutschland digital. Die Umstellung hat bei vielen Nutzern auch für Unmut gesorgt. “Ein wesentlicher Grund dafür ist der weitgehend stabile Einsatz des Analogfunks über viele Jahre”, erklärt Harald Schulenberg, Leiter des Sachgebiets Kommunikationstechnik der Feuerwehr Bremen.

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Fehlende Redundanzen für den Blackout, explodierende Kosten, lästige Updates, überlastetes Netz, mangelhafte Versorgung in Gebäuden, Gesundheitsgefahren und ein intensiver Ausbildungsaufwand: Das Thema Digitalfunk bei der Feuerwehr sorgt für heftige Diskussionen.

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“Erwartungen, die an den Digitalfunk gestellt wurden, konnten nicht abschließend erfüllt werden”, sagt der Berufsfeuerwehrmann. Als Gründe nennt er zum Beispiel fehlende bundesweite Regelungen zum Senden des Status sowie dem Umgang mit Not-, Hilfe- und Katastrophenruf per Funkgerät.

Digitalfunk Feuerwehr
Arbeitsplatz mit digitaler Funktechnik in einem Feuerwehrhaus. Symbolfoto: Sven Buchenau

Inhaltsverzeichnis

Vorteile und Nachteile des Digitalfunks
Feuerwehr Bremen: Erste Bilanz zum Digitalfunk
Funktionsbezogene Programmierung möglich
Flexible Zuteilung der Funkkanäle
Neue Technik, neue Kosten
Ausbildung im Bereich Digitalfunk Feuerwehr
Digitalfunk: Nutzung von Repeater und Gateway
Glossar zum Digitalfunk

Vorteile und Nachteile des Digitalfunks

Vorteile:

  • Sehr gute Rausch- und Störgeräuschefilter.
  • Abhörsicher durch Luftschnittstellen- und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
  • Kein komplettes Blockieren des Netzes durch den Einsatz von Gruppen. Diese können kurzfristig zusammengeschaltet werden.
  • TMO und DMO in einem Endgerät vereint (vergleichbar mit 2-Meterund 4-Meter-Analogfunk).
  • Übertragung von GPS-Koordinaten möglich.
  • Notfalltaste für Aufbau einer Sprechverbindung mit Vorrang vor allen anderen Teilnehmern.
  • Gleichzeitige Übertragung von Sprache und Daten.
  • Telefonie und Kurznachrichten möglich.
  • Pager-Alarmierung und Statusmeldungen möglich.
  • Zugriff auf Datenbanken generell möglich. Zum Beispiel Gefahrstofflisten.
  • Erweiterung mit anderen Netzen zu Breitbanddiensten möglich.
  • Keine Kanalsuche im täglichen Betrieb.
  • Erleichterte BOS-übergreifende Kommunikation.
  • Gateway- und Repeaterfunktionen beispielsweise zur Inhouse-Abdeckung.

 Nachteile:

  • Hohe Anschaffungs-, Reparatur- und Betriebskosten.
  • Keine Marktvielfalt.
  • Extreme Verzögerung beim Ausbau.
  • Kommunikationsprobleme bei Inhouse-Einsätzen.
  • Wartezeit beim Sprechen.
  • Hoher Stromverbrauch.
  • Niedrige Datenübertragungsrate.
  • Keine Kompatibilität mit Funksystemen der Anrainerstaaten.
  • Komplexe Technik mit erhöhtem und kontinuierlichem Ausbildungsbedarf.
  • Lange Beschaffungs- und Reparaturzeiten der Endgeräte.
  • Aufwändige Wartung und Update-Installation.
  • Geringere Nutzungsdauer als Analoggeräte.
  • Bei Gateway- und Repeaterfunktion kein Sprechfunk auf genutztem Gerät mehr möglich.
  • Behördliche Gruppenfreischaltung bei überörtlichen und Großeinsätzen erforderlich.

Feuerwehr Bremen: Erste Bilanz zum Digitalfunk

Trotzdem zieht Schulenberg nach der Einführung der digitalen Technik in Bremen eine positive Bilanz. Bereits im Februar 2011 waren die Umrüstung der Fahrzeuge der nichtpolizeilichen BOS der Stadt Bremen und die Anbindung an die Feuerwehr- und Rettungsleitstelle Bremen (FRLSt) abgeschlossen.

Nach mehreren Praxis- beziehungsweise Stresstests “war zu erwarten, dass mit dem System verlässlich und in guter Qualität gefunkt werden kann”, meint der Sachgebietsleiter. “Der eigentliche Wert zeigt sich im Alltag aber in Funktionserweiterungen, die zum einen den Disponenten und Einsatzkräften die Arbeit erleichtern und zum anderen den Hilfesuchenden zugutekommen.”

Die spürbarste Veränderung für Feuerwehrleute im Einsatz ist die verbesserte Sprachqualität im Sprechfunk. Die neue Technik filtert störende Geräusche zum Beispiel von Motoren und Pumpen sowie Windgeräusche heraus. Darüber hinaus ist der Funkverkehr abhörsicher. Die Vertraulichkeit bei personenbezogenen Informationen bleibt bei verschlüsselter Datenübertragung gewahrt.

Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung von Sprache ist die Überprüfbarkeit ihres Inhalts auf mögliche Übertragungsfehler. Durch bestimmte Sicherheitsmechanismen innerhalb des Übertragungsprotokolls kann das empfangende Funkgerät Übertragungsfehler bis zu einem bestimmten Maß erkennen und verlustfrei kompensieren.

Digitalfunk
Ein Zugführer in Bremen funkt während der Anfahrt zum Einsatzort. Symbolfoto: Christian Patzelt

Funktionsbezogene Programmierung möglich

“Beim Einsatzstellenfunk ist jetzt eine funktionsbezogene Programmierung möglich”, sagt Schulenberg. Die Funkgeräte können eindeutig dem Maschinisten, dem Angriffstrupp oder dem Gruppenführer zugeordnet werden. In diesem Fall kann der Einsatzleiter sehen, wer gerade funkt oder bei wem zum Beispiel ein Tastenklemmer vorliegt – und kann eingreifen. Wichtig ist diese bessere Kontrolle auch für die Atemschutzüberwachung.

Doch bevor ein Trupp in ein Gebäude vorgeht, sollte dessen richtige Zuteilung zu einer Funkgruppe getestet werden, warnt Schulenberg. Weil die Funkgeräte wie Handys über GPS-Funktion verfügen, können einzelne Geräte beziehungsweise Kräfte und Trupps geortet werden.

“In Gebäuden gibt es allerdings nur eine eingeschränkte Netzversorgung”, erklärt Oliver Liese, stellvertretender Stadtbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr Bückeburg (NI, Kreis Schaumburg). Eine Möglichkeit, die Reichweiten von Funkgeräten zu vergrößern, sind so genannte Repeater (Verstärker). “Ist an einer Einsatzstelle ein Funkgerät mit Repeater vorhanden und wird dieses im Bereich des Gebäudeeingangs positioniert, ist die Inhouse-Versorgung gut”, weiß Liese aus Erfahrung. “Unser Netz ist noch nie zusammengebrochen”, bestätigt Schulenberg den Vorteil eines Sprechfunkgerätes mit Repeater-Funktion an der Einsatzstelle.

Positiv wertet der Sachgebietsleiter die Notruffunktion der Digitalfunkgeräte. Er bemängelt aber die fehlende Möglichkeit einer Pulsüberwachung. Diese habe er bei der ersten Generation von digitalen Geräten bereits erwartet. Es sei wünschenswert, einen Atemschutzgeräteträger aus einem Innenangriff holen zu können, bevor er umkippt, mein Schulenberg.

Flexible Zuteilung von Funkkanälen

Ein weiterer Vorteil des Digitalfunks liegt in der flexiblen Zuteilung der Funkkanäle. Während im bisherigen Funksystem jede Organisation ihre eigenen Kanäle starr betrieben hat, werden im neuen Funksystem sämtliche Funkkanäle zu einem großen gemeinsamen Bündel zusammengefasst.

Aus diesem Bündel heraus werden die einzelnen Organisationen je nach Bedarf bedient. Die Funkkanäle können so effizienter und flexibler genutzt werden. Benötigt eine Organisation vorübergehend zusätzliche Kanäle, müssen diese nicht mehr von anderen ausgeliehen werden.

Nachteilig wirkt sich bei der digitalen Technik auch die Zeitverzögerung beim Einschalten aus. Es dauert 8 bis 12 Sekunden, bis sich ein digitales Funkgerät ins Netz eingeloggt hat. Bei der Umstellung von neun Ortsfeuerwehren der Stadt Bückeburg und bei einem Praxistest im Landkreis Schaumburg hat Liese einen weiteren Nachteil festgestellt. “Sollten zu viele Funkgeräte gleichzeitig eingeschaltet werden, kann sich die Einlogzeit sogar verdoppeln”, sagt er.

Symbolfoto Digitalfunk: Sven Buchenau

Neue Technik, neue Kosten

Die Umstellung auf Digitalfunk hat für die beteiligten BOS enorme Kosten verursacht. Trotz Zuschüsse der jeweiligen Landkreise an ihre Kommunen haben selbst Gemeinden mit wenigen Ortsfeuerwehren Ausgaben im hohen fünfstelligen Bereich zu tragen. Weil viele Kommunen die Finanzierung auf mehrere Jahre verteilt haben, verzögerte sich die Beschaffung der neuen Geräte in einigen Feuerwehren ebenfalls um mehrere Jahre.

Ist die neue Technik da, beginnt die wichtigste Phase für Einsatz- und Führungskräfte: nämlich die Ausbildung. Da analoge und digitale Funkgeräte nicht kompatibel sind, muss der Einbau der Geräte in die Einsatzfahrzeuge einer Gemeinde beziehungsweise eines Landkreises möglichst zeitgleich erfolgen.

Ausbildung im Bereich Digitalfunk Feuerwehr

Deshalb steht den Feuerwehrleuten nur ein bestimmtes Zeitfenster zur Verfügung, um sich mit der neuen Technik vertraut zu machen. Vorbereitende theoretische Schulungen, gefolgt von praktischen Übungsdiensten – sobald die Umstellung erfolgt ist – sind daher unerlässlich. “Natürlich muss die Ausbildung im Bereich Digitalfunk stetig fortgeführt werden, denn von der Grundeinweisung alleine kann ich noch kein Gerät perfekt bedienen. Hier müssen im Vorfeld schon Ausbildungspläne erstellt werden, damit alle Kameraden auf dem gleichen Wissensstand sind”, weiß Liese.

Umfangreiches Informationsmaterial rund um das Thema Digitalfunk bieten außer den Feuerwehrverbänden zum Beispiel der Bundesverband Professioneller Mobilfunk e.V. (PMeV). Er ist ein Zusammenschluss aus Anbietern und Anwendern von Kommunikationssystemen für den mobilen professionellen Einsatz. Der PMeV bietet Herstellern, Anwendern und Bedarfsträgern unter www.pmev.de eine neutrale Dialogplattform zur Bewertung von Technologien und zur Erörterung von Chancen und Risiken technischer Lösungen und Konzepte.

Eine Einführung sowie fortführende Infos bietet die Bundesanstalt für Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS).

Digitalfunk: Nutzung von Repeater und Gateway

Um die Reichweite von Funkgeräten im Einsatz zu erhöhen, können die Kräfte DMO-Repeater (deutsch: Wiederholer, Verstärker) und TMO-DMO-Gateways einsetzen. „Bei der nichtpolizeilichen BOS wird die Gateway-Funktion wenig und wenn, dann hauptsächlich im Rettungsdienst verwendet“, schätzt Jörg Leipe, Dezernatsleiter des Kompetenzzentrums Digitalfunk beim Institut der Feuerwehr (IdF) Nordrhein-Westfalen.

Die Gateway-Funktion ermöglicht, den Einsatzstellenfunk im DMO auf eine TMO-Gruppe zu übertragen. Dies kann nötig sein, wenn mit Handfunkgeräten keine ausreichende Verbindung zum Digitalfunknetz und damit zur Leitstelle besteht. Für ein Gateway sind ausgewählte und speziell programmierte Fahrzeugfunkgeräte vorgesehen. Unter anderem müssen die Kräfte beachten, dass über das Gateway Notrufe zwar an die Leitstelle durchgestellt werden können, aber keine Übertragung von GPS-Koordinaten erfolgt.

„Repeater sind hingegen häufiger im Einsatz. Da muss es aber klare organisatorische Regelungen für die Anwendung geben, damit beispielsweise nicht zwei Repeater auf eine Gruppe geschaltet sind. Dann stören sie sich nämlich gegenseitig“, so Leipe. Als Repeater kommen meist Handfunkgeräte zum Einsatz, die speziell für diesen Betrieb vorgesehen und programmiert sind. An einem geeigneten Ort aufgestellt, empfangen sie die Funksignale der voreingestellten Gruppe und senden sie erneut aus. Damit können beispielsweise abgeschirmte Gebäudeteile funkversorgt werden.

Allerdings haben als Repeater eingesetzte Geräte einen erhöhten Energieverbrauch und dürfen nicht bewegt werden, um andere Nutzer nicht zu stören. Auch MRT können als Repeater eingesetzt werden. Speziell bei diesen ist es wichtig, nach Einsatzende diese Funktion wieder auszuschalten.

Glossar: Spezialbegriffe beim Digitalfunk

5G:                 Mobilfunkstandard mit wesentlich höherer Geschwindigkeit, aber geringerer Reichweite als 4G (siehe “LTE”).

AS:                  Autorisierte Stelle, zentrale Ansprechstelle für den Digitalfunk eines Bundeslandes.

Basisstation:                       Sende- und Empfangsstation für den Funkverkehr.

BDBOS:         Bundesanstalt für den Digitalfunk der BOS

BOS:               Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (unter anderem Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst).

BSI:                 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Codeplug:    Konfigurationsdatei für die Funktionseinstellungen der Endgeräte.

dBm:              Dezibel Milliwatt (Leistungspegel).

DMO:            Digitalfunk im Direktbetrieb-Modus, analog zum 2-Meter-Band (englisch: Direct Mode Operation).

DXT:               Digitale Vermittlungsstelle, die Basisstationen verbindet.

DXTT:             Digitale Transit-Vermittlungsstelle verbindet DXT

FRT:                Stationäres Funkgerät für den Bündelfunk (englisch: Fixed Radio Terminal).

GAN:              Die Grund-Anforderungen Netz sind festgelegte Standards für die Anforderungen der Funkversorgung.

Gateway:      Funkgerät, das den DMO-Funk auf TMO überträgt und damit an die Leitstelle anbindet.

HRT:               (Mobiles) Handsprechfunkgerät (englisch: Handheld Radio Terminal).

IP:                   Netzwerkprotokoll für die Datenpaketversendung (englisch: Internet Protocol).

IuK:                Information und Kommunikation.

LTE oder LTE-Advanced:  Mobilfunkstandard 3.9G oder 4G (englisch: Long Term Evolution).

mAh:              Milliamperestunde (elektrische Ladung).

mBS:              Mobile Basisstation.

MRT:              (Mobiles) Fahrzeugfunkgerät (englisch: Mobile Radio Terminal).

NMC:             Zentrales Netzverwaltungssystem, beziehungsweise Kontrollcenter.

Objektfunkanlage:             System, das die Innenräume eines Gebäudes an ein Funknetz anbindet.

PTT:                Sprechtaste am Funkgerät (englisch: Push-to-talk).

QVGA:           Standard für Grafikmodi von Bildschirmen (englisch: Quarter Video Graphics Array).

Repeater:     Funkgerät, das die Funksignale wiederholt aussendet und damit die Reichweite erhöht.

SDS:               Ermöglicht Kurznachricht analog zu einer SMS oder Statusmeldung (englisch: Short Data Service).

TBZ-Gruppe:                       Rufgruppe zur Taktisch-Betrieblichen-Zusammenarbeit bei überörtlichen oder organisationsübergreifenden Einsätzen.

TETRA:           Offener Standard für den digitalen Bündelfunk (englisch: Terrestrial Trunked Radio).

TFT:                Flüssigkristall-Flachbildschirm (englisch: Thin Film Transistor)

TMO:             Digitalfunk im TETRA-Netzmodus, analog zum 4-Meter-Band (englisch: Trunked Mode Operation).

Transreflektives Display:                        Ermöglicht bessere Ablesbarkeit bei Sonneneinstrahlung.

WAP:             Internet-Dienst für Mobiltelefone, speziell für kleinere Displays (englisch: Wireless Application Protocol).

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